Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

Styl 
Darstellung. 
der 
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licher Kraft wagte sie sich nicht, wie denn diese ja auch 
im Leben nur vorübergehend in der einzelnen That, nicht 
in völlig ausgebildeten Persönlichkeiten erschielh An 
Porträts im eigentlichen Sinne des Worts war ebenso- 
Wenig zu denken; unbestimmte Charaktere konnten auch 
nur eine unbestimmte Darstellung erhalten. Ueberdies war 
der Grabstein die einzige Stelle derselben. Die Kunst 
hielt sich in dem engen Kreise einfacher Motive und 
fand ihre höchste Aufgabe in der Demuth. Und wie 
diese Eigenschaft im Leben über ihre wahre Bedeutung 
hinaus gesteigert war, so erscheint sie auch in der Kunst 
oft nicht bloss als ein sanfter, einzelnen Gestalten ver- 
liehener Charakterzug, sondern als der vorherrschende 
Ton der ganzen Darstellung, als eine unmittelbare Aeusse- 
rung des Künstlers. Da er nicht hoffen konnte, die 
hohen Gegenstände seiner Aufgabe in der sinnlichen Er- 
scheinung zu erschöpfen, so suchte er die Kluft fühlen 
zu lassen, welche das Irdische vom Göttlichen, das 
Sichtbare vom Unsichtbaren trennt, oder hatte doch keinen 
Antrieb, seine Darstellung zu vervollkommnen, da er 
nur eine Erinnerung an das heilige Ereigniss, nicht ein 
wahres Abbild desselben zu geben brauchte. Daher oft das 
Matte, Handwerksmässige, oft das Trockene, Lehrhafte 
und deshalb Uebertriebene der Auffassung. Dies sind 
Schwächen, die man wenigstens für eine grosse Zahl 
der mittelalterlichen Werke zugeben muss; aber sie er- 
scheinen bei näherer Betrachtung in minder ungünstigem 
Lichte. Manches, was auf den ersten Blick ein Fehler 
zu sein scheint, ist doch ein Motiv, ein Mittel, wo- 
durch der Künstler seinen Gedanken vor-sinnlichen 
wollte, und das, wenn wir in diesen einzugehen geübt 
sind, eine Bedeutung und selbst eine Schönheit hat. Ja
	        
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