Styl
Darstellung.
der
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licher Kraft wagte sie sich nicht, wie denn diese ja auch
im Leben nur vorübergehend in der einzelnen That, nicht
in völlig ausgebildeten Persönlichkeiten erschielh An
Porträts im eigentlichen Sinne des Worts war ebenso-
Wenig zu denken; unbestimmte Charaktere konnten auch
nur eine unbestimmte Darstellung erhalten. Ueberdies war
der Grabstein die einzige Stelle derselben. Die Kunst
hielt sich in dem engen Kreise einfacher Motive und
fand ihre höchste Aufgabe in der Demuth. Und wie
diese Eigenschaft im Leben über ihre wahre Bedeutung
hinaus gesteigert war, so erscheint sie auch in der Kunst
oft nicht bloss als ein sanfter, einzelnen Gestalten ver-
liehener Charakterzug, sondern als der vorherrschende
Ton der ganzen Darstellung, als eine unmittelbare Aeusse-
rung des Künstlers. Da er nicht hoffen konnte, die
hohen Gegenstände seiner Aufgabe in der sinnlichen Er-
scheinung zu erschöpfen, so suchte er die Kluft fühlen
zu lassen, welche das Irdische vom Göttlichen, das
Sichtbare vom Unsichtbaren trennt, oder hatte doch keinen
Antrieb, seine Darstellung zu vervollkommnen, da er
nur eine Erinnerung an das heilige Ereigniss, nicht ein
wahres Abbild desselben zu geben brauchte. Daher oft das
Matte, Handwerksmässige, oft das Trockene, Lehrhafte
und deshalb Uebertriebene der Auffassung. Dies sind
Schwächen, die man wenigstens für eine grosse Zahl
der mittelalterlichen Werke zugeben muss; aber sie er-
scheinen bei näherer Betrachtung in minder ungünstigem
Lichte. Manches, was auf den ersten Blick ein Fehler
zu sein scheint, ist doch ein Motiv, ein Mittel, wo-
durch der Künstler seinen Gedanken vor-sinnlichen
wollte, und das, wenn wir in diesen einzugehen geübt
sind, eine Bedeutung und selbst eine Schönheit hat. Ja