Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

Autoritätsglauben. 
Jetzt gewöhnte man sich alles nur nach der Autorität 
der Väter zu entscheiden; man hielt es für frevelhaft, 
mit eigenen Gründen zu prüfen  man wollte nicht die 
Schlüsse der Lebenden, sondern nur die der Todten 
hören. In jeder Beziehung forderte man bestimmte Vor- 
schriften, selbst bei den gleichgültigsten und äusserlichstexr 
Dingen und gewohnte sich so an ein gedankenloses 
Handeln, das nicht mehr der Ausdruck der Ueberzeugung 
war. Der Sinn für W ahrhaftigk eit wurde auch sonst 
noch vielfach gefährdet. Die Priester sollten lehren, 
was sie selbst nicht vollständig begriffen, sie mussten 
daher halbverstandene Worte gebrauchen, deren richtige 
Auffassung bei dem Hörenden sie noch weniger voraus- 
setzen konnten. Zu diesem feinen Betruge kam denn 
auch die grobe Lüge. Zu allen Zeiten ist die Priesterschaft 
in Gefahr durch das Bewusstsein von der hohen, über- 
wiegenden Wichtigkeit ihrer Zwecke unvermerkt zu 
bedenklichen Mitteln verleitet zu werden. Dies um so 
mehr in verwickelten Zuständen untl bei dem Mangel 
einer fest ausgeprägten Moral. Daher steigerte sich denn 
auch im Mittelalter oft die Unwahrheit bis zur groben 
Fälschung. Die pseudoisidorischen Decretalen"), 
deren Unächtheit erst später erwiesen ist, geben ein 
lehrt der Abt Fredegis: Primnm ratione utendum, in quantum 
hominis ratio patitur, deinde auctoritate: (Neander IV. 387.) 
Ü S0 Wirft im 9. Jahrhundert das Concil zu Lyon dem Johannes 
Scotus und seinen Anhängern vor, dass sie Gründen (humanis et 
philosophicis argumentalionibus) mehr traueten, als den Aussprüchen 
der Kirchenväter (nulla scriptulrarum sive S. Patrum autoritate 
prolata). 
W) Bekanntlich eine Sammlung angeblicher Decretalen römischer 
ßischöfe der 4 ersten Jahrhunderte, die im 9. Jahrhundert auftauchte 
und für eine Arbeit. des spanischen Bischofs Isidorus ausgegeben 
wurde. Sie bezweckte die Erweiterung der päpstlichen Macht.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.