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Architektur
des
Mittelalters.
in jener unbewussten Bildungskraft der Natur und in
dieser menschlichen Thätigkeit wirkte, so bleibt uns doch
noch die Frage nach den Mittelgliedern, welche diese
Aehnlichkeit hervorbrachten. Hier aber finden wir baldeden
statischen
und
für
die
Baukunst
entscheidenden Grund
in
dem Vorherrschen des S enkr echten, das in derPllanzen-
Welt wie in diesem Style einheimisch ist. Denn dies
bedingt die Verbindung der senkrechten Glieder durch
Bögen und somit eine Aehnlichkeit mit den Aesten der
Bäume und mit der Senkung der Stiele, und andrerseits
die geometrische Zeichnung der feineren Theile, Welche
den krystallinischen Bildungen im Innern der Pflanzen
einigermaassen gleicht.
Allein auch diese statische Eigenschaft beruhete
wiederum nur auf einem moralischen Grunde; man wählte
diese Constructionsweise und bildete sie beharrlich aus,
weil man sich von ihr angezogen, eine Verwandtschaft mit
ihr fühlte, deren Quelle wir auch in der Richtung des
mittelalterlichen Geistes wohl erkennen können. Sie liegt
in jener eigenthümlichen Consequenz, welche die einzelnen
Geisteskräfte,Verstand, Gefühl und Phantasie über
das gewöhnliche Maass steigerte und dadurch einen
Zwiespalt hervorrief, der erst wieder einer mittelbaren
Einigung bedurfte. Vermöge dieser Richtung suchte man
denn auch Formen auf, in welchen sich diese Geistes-
kräfte so vereinzelt und gesteigert äussern, aber doch
auch wieder sich harmonisch vereinigen konnten. Bei
den Muhamedanern war eine ähnliche Scheidung der
Kräfte, aber ohne das einigende Element, welches das
Christenthum mitbrachte. Daher schweifte ihre Reflexion
wie ihrePhantasie ins Unbegränzte aus,
fühl in den Banden der Sinnlichkeit blieb.
während ihr Ge-
Auf christlichem