Wahre
der
Bedeutung
Quadratur.
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derselben Weise ein Zwölfeck. Dies ist die sogenannte
Triangulatur, ohne Zweifel eine spätere Erfindung,
weil sie auf die Formen des guten Styls selten oder nie
Anwendung leidet, sondern nur auf die Künstelejen,
welche man im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert,
und auch da mehr an Tabernakeln und sonstigen Zier-
werken als an wirklichen Bauten, anbrachte.
Obgleich hienach Quadratur und Triangulatur unge-
achtet ihrer volltönenden Namen wirklich nichts anderes
als mechanische Hiilfsmittel für die Construction von
Polygonwinkeln und schwierigeren Gliederungen waren
ist es dennoch begreiflich, dass sie dem einfachen Stein-
metzen, der ihre Gründe nicht kannte, räthselhaft und,
da sie ihn zu feinen und künstlichen Arbeiten wunderbar
befähigten, wie ein Arcanum erschienen, und dass diese
Ueberschätzung in der Zeit des Verfalls zunahm. Man
glaubte durch diese Kunstgriffe den alten Meistern gleich
zu kommen, und bemerkte nicht, dass die Kraft der
künstlerischen Erfindung dadurch gelähmt wurde. Gesa-
riano, der in den letzten Tagen gothischer Bauthätigkeit
von den am Mailänder Dome beschäftigten deutschen
Werkleuten ihre Regeln erfragte, suchte als ein gelehrter
Architekt sie auf Grnndprincipien zurückzuführen und
gab ihnen eine noch anspruchsvollere Gestalt, als sie bei
i") Holfstadt behauptet, dass die "Quadratur" wenigstens inso-
fern dem gothischeil Bau zum Grunde läge, als das Grössere zum
Kleineren sich durchweg verhalte, wie die Diagonale zur Seite des
Quadrats. Wo man grössere Steigerung wünschte, habe man das-
selbe Gesetz in weiterer Potenz angewendet, und also die Diagonale
des Diagonalenqtiadrats als Maassstab gebraucht. Auch dies künst-
liche und willkürliche Gesetz möchte, wenn überhaupt, nur in der
spätesten Zeit, und auch da nur in beschränktem UrgTange, angenommen
worden sein. Bei allen wesentlichen Verhältnissen (z. B. bei
denen des Grundrisses) tritft es niemals zu.