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Der
gothische
Styl.
schnitten besteht, die immer vermehrt werden können.
Jener giebt daher eine abgeschlossene Individualität, diese
eine Welt von Einzelheiten. Jener ist cbjectiv und männ-
lich, gleicht der vollbrachten That, während der gothi-
sche Styl subjectiv und weiblich ist, eine warme, aber
unbestimmte Empfindung erweckt. Ein organisches Leben
ist in Beiden, auch im griechischen Bau lässt die Bildung
seiner Glieder ein Wachsen und Werden erkennen, aber
es ist vorüber und liegt hinter ihm; im gothischen Bau
ist es gegenwärtig und die Formen erscheinen, wie in
der vegetabilischen Natur, noch werdend und unfertig.
Daher hat der gothische Bau bei aller Pracht den Cha-
rakter des Bescheidenen und Demüthigen im christlichen
Sinne des Wortes, während die griechische Form der
naive und milde Ausdruck eines edeln, aber vollgenügen-
den Selbstgefiihls ist.