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Der
gothische
Styl.
Bei grösseren Giebeln, namentlich an den Kreuz-
faeaden oder an den 'l'hurmf'enstern, bildete man dieses
Maasswerk auch wohl so, dass es in freier Stein-
gliederung, wie eine Art reich gestalteter Vergitte-
rung, vor der Mauer stand. Dies gab denn ein Mittel,
den Schmuck der Facade im höchten Maasse zu steigern,
indem man die leeren Stellen, die besonders neben den
Fenstern entstanden, mit freistehenden, schlanken, durch
Spitzbögen verbundenen Stäben besetzte, die Winkel mit
Rosetten oder andern Pässen ausfüllte , dadurch die
Gliederung der verschiedenen Stockwerke verschmolz und
so endlich über die ganze Facade ein Netz von Maass-
werk zog. Da man auf diese Weise in der Bildung
horizontaler Abschnitte zwischen verticalen Gliedern geübt
war, so vermied man nun auch wohl die Spitze des Gie-
bels zwischen den Thürmen, indem man sie durch eine
solche horizontal abschliessende Gliederung verdeckte.
Bei der gesammten Anordnung dieses kühnen Schmucks
der Facade hatte natürlich die Phantasie den freiesten
Spielraum, indessen behielt man doch immer die Gesetze
der Construction im Auge, und beobachtete die Regel,
dass die unteren Theile einfacher oder doch kräftiger,
die oberen schlanker und luftiger gebildet wurden, damit
auch hier das Leichte aus dem Starken aufwachse und
uutenstehende
der
auch
Beschauer
noch in
grösster Höhe
verständliche
Formen
sehe.
Aus der Natur entlehnter Schmuck kommt auch im
Aeusseren nur sehr sparsam vor; Laubwerk, und zwar
sehr architektonisch gehaltenes, nur auf den Gräten
der Fialen und Spitzgiebel, Thiere nur als Dachrin-
nen, wo sie denn in phantastischer Gestalt und Gröse
aus den Ecken oder von den Pfeilern weit heraus ragen,