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D'e r
gothische
StyL
Es kam nicht darauf an, wie man oft gesagt hat, den
Kirchen ein ehrwürdiges, geheimnissvolles Dunkel zu
geben, denn der gothische Styl liebte das Luftige und
Helle, wohl aber brauchte man ein ruhiges und mildes
Licht, das nicht, indem es einzelne Theile grell beleuch-
tet, andere in tiefe Schatten setzt, und dadurch störende,
bei dem Wechsel der Tage unberechenbare Contraste
hervorbringt. Dies Bedürfniss wurde jetzt dringender
als je, weil die Fenster grösser wurden und die feine
Gliederung mit ihren tiefen Höhlungen durch allzuhelle Lichter
völlig entstellt worden wäre; die gebrochenen Linien und
Weichen Uebergänge forderten auch ein gebrochenes wei-
ches Licht. Gefarbtes Glas gewährte dieses nicht, da
die bunten Flecke, welche es auf die beleuchteten Stel-
len wirft, eine noch unruhigere Wirkung hervorbringen;
es bedurfte daher einer Zusammensetzung aus vielen
kleinen Stücken, in der keine einzelne Farbe soweit vor-
herrschte, dass sie einen farbigen Schein gab i), also
reicher Muster oder {igürlicher Darstellungen. Für solche
eignete sich aber auch die Eintheilung der Fenster vor-
trefflich, indem sie parallele Flächen für gleichberechtigte
oder zu vergleichende Gestalten, und grössere und klei-
nere Räume für erklärende, mehr oder minder wichtige
Beziehungen enthielt, und mithin ein Schema für einen
ymbolischen Bildercyklus darbot, das dem geübten Sinne
des Mittelalters sofort verständlich war. Aber sogar für
diese figürliche Ausstattung der Fenster war auch noch
ein architektonischer Grund vorhanden. Der lebende, das
Ganze durchdringende Organismus duldete keine leeren
Stellen, auch die Lichtöifnungen mussten daher ausgefüllt
Einiges Nähere
mälde folgt im 6. Kap.
über diese BeschalTenheit
dieses Buchs.
der
alten
Glasge-