Polychromie.
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sehen, waren meist dunkel und kräftig, an den Stellen rej-
cheren Schmucks, namentlich an den Kapitälen, mit Ver-
goldung untermischt, gewiss aber mit einer feinen Berück-
sichtigung der Tinten so gewählt und zusammengestellt,
dass sie einen harmonischen Eindruck hervorbrachten. Die
moderne Bildung hat uns an eine scharfe Sunderung des
Gebiets der plastischen Form von dem der Farben
gewöhnt und erschwert uns die Vorstellung von der
architektonischen Wirkung solcher Polychromie; das Mit-
telalter liebte die Farben und konnte Stärkeres ertragen.
Indessen dürfen wir uns auch von einzelnen Versuchen
der Wiederherstellung dieses Farbenschmucks nicht all-
zusehr leiten lassen und müssen erwägen, dass der Ein-
druck des Bunten und Unharmonischen, den sie uns leicht
machen, verschwinden muss, wenn diese Vielfarbigkeit
durchgeführt ist und den ganzen Raum gleichmässig
erfüllt. Jedenfalls aber lässt sich nicht verkennen, dass
diese verschiedenartige Färbung der Architektur vortheil-
hafter war, als ein einfarbiger Anstrich, der die Bedeu-
tung der einzelnen Glieder nothwendig abschwächt.
Mit dieser Färbung der Wände standen denn auch
die Glas gemäld e der Fenster in nothwendiger Ver-
bindung. Man könnte geneigt sein, sie schon aus der
Gewohnheit heiliger Darstellungen in der Kirche zu er-
klären; denn in der That gaben im gothischen Bau die
Fenster die einzigen Flächen, die solche aufnehmen
konnten. Indessen entstanden sie doch nicht aus diesem
Bedürfnisse; schon die alte Kirche liebte mehrfarbige
Fenster und im späteren romanischen Style begann, so-
bald man grössere Fenster anlegte, neben den Wand-
gemälden die eigentliche Glasmalerei. Dieseging viel.
mehr aus dem architektonischen Gefühle her-von