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Der
gothische
StyL
Bewegung einladend. Der Geist der Strenge, der Jedem
zwischen festen Mauern seine Stelle anwies, War gebro-
chen, und der Chor gewann durch das vielfache von
allen Seiten auf seine Mitte fallende Licht und durch die
bedeutungsvollen Durchsichten
Glanz und Pracht.
in
seine
N ebenhallen
an
Endlich wirkte diese Vergrösserung des Chors und
Kreuzschiffes auch wieder auf das Langhaus zurück.
Man fand bei grösseren Kirchen die hergebrachte Zahl
von drei Schiffen nicht geräumig und luftig genug, son-
dern vermehrte sie auf fü n f, oder fügte den Seitenschif-
fen noch eine Reihe von einzelnen Kapellen hinzu.
Dadurch wurde es dann vollkommen klar, dass das Ganze
nicht als ein von Aussen her, nach bestimmter Regel
unabänderlich Begränztes anzusehen sei, sondern als das
Product einer inneren Kraft, die sich immer weiter aus-
dehnen, immer neue Ansätze hervortreiben konnte.
Ehe wir zur Betrachtung des Aeussern übergehen,
muss ich noch einen Blick auf dieOrnamentatLo n des
Innern werfen. Es ist auch hier eine merkwürdige
Veränderung vorgegangen; jener oft überladene, oft aber
auch schöne Reichthum des Ornaments im romanischen
Style ist verschwunden, das gedrängte Laubwerk, die
phantastischen 'l'hiere, die schreckenden Larven sind ver-
blannt, die Neigung zum Ueberraschenden und Wunderli-
chen ist unterdrückt, alles zeigt sich geregelt, die construc-
tiven Theile werden nicht mehr durch Verzierungen ver-
dunkelt, die plastischen Arbeiten nicht mehr durch die
architektonischen Linien beengt. Der neue Styl hat auf.
geräumt, er liebt nicht das Ungewisse und Räthselhafte,
sondern heitere, klare Bildungen, nicht das SOlIXVARIIkBD
zwischen der Wirklichkeit und dem Gedanken, sondern