Vermehrung
Seitenschiffe
Kapellen.
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mithin die grade Zahl sechs geben, woraus denn folgt,
dass die Axe des Schiffes nicht die Mitte einer Kapelle,
sondern eine Scheidewand trifft. Die Kapellen endlich
sind fast immer mit drei Seiten des Achtecks geschlos-
sen, wenn auch der Chorraum selbst aus dem Zehn- oder
Zwölfecke constrnirt ist, Weil diese grosse Zahl für die
kleinen Abtheilungen nicht passend gewesen wäre und
es nicht auf eine spielende Durchführung einer Grund-
zahl, sondern nur auf den Ausdruck des Polygonförmigen
überhaupt, als der geeigneten Gestalt für diesen Theil,
ankam.
Diese Umgestaltung des Chores und des Kreuzes
änderte in vieler Beziehung den Charakter des Gebäudes.
Im romanischen Style waren die Seitenschiße bescheidene
Zugänge für das andringende Volk , und wurden daher
nur an dem für dieses bestimmten Langhause angebracht;
jetzt erschienen sie als nothwendigc Einrahmung des
ganzen inneren und höheren Theiles der Kirche. Dort war
der Chor zwar durch seine Erhöhung vom Volk gesondert,
aber dafür von schlichten und kräftigen Wänden begränzt,
einfach und ernst. Hier dagegen war er zwar nicht er-
höht, aber von schlanken Pfeilern und von einer niedri-
gern Halle umgeben, vornehm von der Aussenwelt ge-
sondert. Die alte Form athmete strenge Kirchlichkeit,
die neue einen aristokratischen Geist. Gewisse Vor-
Lheile der ältern Anordnung wurden damit aufgegeben;
der ganze Rhythmus war complicirter und schwerfälliger,
die Bedeutung des Kreuzschilfes, durch seine Ausladung
den Umschwung des Chors vorzubereiten, weniger an-
schaulich. Indessen war Alles heller und geräumiger,
durch mannigfaltige Durchsichten und Reflexe belebt, mit
luftigen, würdigen Hallen zu freier, aber ehrfurchtsvoller