Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

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Der 
gothische 
Styl. 
wurde Sie höher, complicirter und organischer; die kleine 
runde Basis der einzelnen Cylinder stand nämlich nicht 
unmittelbar auf der untern, allgemeinen Basis des Pfeilers, 
sondern erhielt zunächst einen polygouförmigeil Fuss 
Welcher vermittelst einer Abschmiegung sich erweiterte, 
und nun erst mit seiner vordern Linie sich an jenes untere, 
ungleichseitige Achteck anschloss, und zwar unmittelbar, 
ohne alle trennende Gliederung. Die einzelnen Dienste 
wuchsen daher gewissermassen aus dem unteru Achteck 
hervor. Diese Form ist insofern mangelhaft, als keine 
bewusste, gegliederte Abgränzung gegen den Boden vor- 
handen ist; die achteckige Masse steigt ohne WVeiteres 
aus demselben auf. Allein sie sagt der Pfeilerbildung 
sehr wohl zu; wie im horizontalen Durchschnitt die Rund- 
stäbe und Hohlkehlen in einander übergehen, so ist nun 
auch in der verticaleil Gliederung kein scharfer Gegen- 
satz, kein Anfügen verschiedener Thcile, sondern ein 
allmäliges lebendiges Werden ausgesprochen. Deutlicher 
als an irgend einer andern Stelle sieht man hier eine 
vegetabilische Reminiscenz; der Pfeiler steigt aus dem 
Boden wie der Baum des Waldes, ohne Vorbereitung 
und Abgränzung, in einfach kräftiger Form, um erst weiß 
ter oben sich freier zu entfaltenii). Die Zahl und Ver- 
theilung der Dienste ist übrigens verschieden und hängt 
von der Höhe der Gewölbe und manchen andern techni- 
scheu 
Rücksichten 
Die 
regelmässigste Form 
die: 
ist 
i) Kallenbach (die Baukunst des deutschen Mittelalters chronolo- 
gisch dargestellt. 1847) will S. 29 diese scheinbare Vernachlässigung 
der Basis ans der Absicht erklären, „den Besehauer nicht am Boden 
fesseln zu wollen." Wenn man von Absicht sprechen dürfte, so 
war es eher die entgegengesetzte, das Gebäude an den Boden zu 
fesseln, es ungeachtet seines luftigen Aufschwunges enge mit ihm zu 
verbinden.
	        
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