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Der
gothische
Styl.
Bausystems dieser innere Cylinder gar keine eigne Be-
deutung hatte. Dachte man sich nämlich das Gerippe
des Baues aus Gewölbgurten und deren senkrechten
Stützen bestehend, so enthielten diese äusseren Halb-
säulen die. wahre Function des Pfeilers; der Kern War
nur eine passive, sie verbindende Masse, welche daher
auch keiner eigenen Peripherie bedurfte, sondern nur durch
ihr Zurückweicheil zwischen den vertretenden tragenden
Theilen bedeutsam wurde. Man verwandelte daher diese
freiblcibendenl
Theile
des
Kerns
in
Hohlkehlen
und
zwar von runder Gestalt, wie die Gewölbstützen auf
welche sie sich bezogen, so dass sie ein diesem Vor-
treten entsprechendes Zurückweichen, eine elastische
Bewegung, darstellten. Man bemerkte auch bald, dass
diese Gewölbstützen nicht grade der Kreisgestalt bedurf-
ten, dass es vielmehr ihrer Beziehung auf die von ihnen
getragenen Gurten besser entsprach, wenn man ihnen auf
der Stelle ihres äussersten Vortretens ein Plättchen vor-
legte und dagegen die Stelle, wo sie sich an die benach-
barten I-Iöhlungen anschlossen, dünner machte. Beide
zeichneten daher im Durchschnitt des Pfeilers eine ge-
schwungene Linie, in Welcher der Gedanke elastischen
Einziehens und Heraustretens noch anschaulicher und
lebendiger wurde. Diese Verbindung von vertretenden
'l'heilen und Höhlungen erinnert einigermassen an die
Karmelluren der griechischen Säule, aber dennoch ist die
Bedeutung völlig verschieden. Die griechische Säule ist
ein einiges Ganze, die Kannellureir und die dazwischen
gelegenen Stäge sind nur äheusserungen dieser Einheit.
An dem gothischen Pfeiler sind aber die vertretenden
Rundstäbe jeder für sich in Beziehung auf einen bestimm-
ten Bogen wirksam und der Kern hat keine selbstständige