Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

Chiliasmus. 
Christus zurückkehren, die jetzige Welt untergehen, den 
Sündern ihre Strafe zu Theil werden solle f). Jetzt, da. 
das verhängnissvolle Jahr herannahte, wurde diese Pro- 
phezeihung auf's Neue erwogen, und Sie fand llüll ill d" 
anerkannten Verderbniss eine furchtbare Bestätigung. 
Zitternd und zagend, mit unthätiger Verzweiflung oder 
mit gesteigerter Bussübung sah das Volk dem letzten 
Tage entgegen. 
Aber die sichtbare Welt blieb bestehen, nur im gei- 
stigen Sinne ging die alte heidnische Welt unter, um 
einer neuen christlichen Schöpfurfg Platz zu machen. 
Die Furcht verschwand, die Hoffnung hob sich wie- 
der, ein Gefühl des Dankes und der Erlösung durchdrang 
die Welt mit jugendlicher Wärme. Man wetteiferte in 
frommen Werken, wallfahrtete zu heiligen Stellen, stat- 
tete Kirchen und Klöster mit verschwenderischer Frei- 
gebigkeit aus. Es war, sagt ein Chronist, als ob die 
ganze Welt, das Alte abwerfend, das weisse Feierkleid 
des Kirchendienstes anlegen wollte ff). Aus der Sünden- 
erkenntniss und Bussfertigkeit erwuchs sofort der Keim 
des neuen Daseins. 
In dieser Zeit entstand der Gedanke, der fortan in 
verschiedenen Formen das Mittelalter beherrschte, der 
Gedanke, dass das Reich Gottes sichtbar auf 
Erden hergestellt werden müsse. Ein geringer Grad 
von Weltkenntniss reichte hin, um die Unausführbarkeit 
dieses Gedankens, ein massiger Grad von Tiefe , um 
eine ungenügende Auffassung des Heiligen darin zu 
 S. Belegstellen bei Gieseler, Kirchengesch. II. l. 213. 
H) Glaber Badolph. c. 4. Erat enim ut si mundus ipse cxcutiendo 
semet, rejecta vetustate, candidam ecclesiarum veslem indueret.
	        
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