Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

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Völlige 
Auflösung. 
von ihrem Standpunkte mit vollem Recht, den Bruch der 
Einheit und die thörichte Freude des Volkes an dieser 
Zersplitterung m]. 
Als das römische Reich unter dem Ansturze der 
Germanen brach, blieben grosse Massen in ihrem Ver- 
bande und lagerten sich majestätisch umher. Der Zerfall 
des jungen karolingischen Staates gab ein ganz anderes 
Schauspiel. Hier war der Mörtel zersetzt und eine innere 
Kraft schleuderte die einzelnen Steine des Baues Weithin 
über die Fläche. Die Welt löste sich in ihre Urbestand- 
theile auf. Es gab eigentlich keinen Staat, keine Ord- 
nung; jeder stand für sich, der Krieg Aller gegen Alle 
war eingetreten. In dieser Verwirrung hatten alle Laster 
und Begierden freies Spiel, die Leidenschaft des Einen 
rief die des Andern hervor, keiner blieb frei. Selbst der 
Kirche und ihres Oberhauptes bemäehtigte sich die wider- 
liehste Verderbniss. Es war das völlige Gegentheil 
des byzantinischen Reiches; während dort die schein- 
bare Ehrbarkeit die Gemüther einschläferte , musste hier 
die oifenbare und schamlose Herrschaft der Sünde sie 
erwecken. Mit menschlicher Klugheit war hier nichts 
gethan, das Uebel war zu gross , um es im Allgemeinen 
zu heilen, und selbst die Abwehr im Einzelnen konnte sich- 
nicht von Eigenmaeht und Sünde freihalten. Daher ver- 
breitete sieh denn das Gefühl der unverbesserlichen 
Sündhaftigkeit des menschlichen Geschlechts mehr als 
je, und das Bewusstsein der wohlverdienten Strafe erfüllte 
die Völker mit nie gekannter Angst. Schon früher hatte 
3 man einer Stelle der Offenbarung Johannis die Deutung 
gegeben, dass nach dem Ablaufe von tausend Jahren 
 S0 Florus Diaconus und Salomon, Bischof von Constanz, 
Schlosser, Weltgeschichte, Mittelalter Il. l, 455 und .591. 
bei
	        
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