Der
ausgebildete
Pfeiler.
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Linien der Länge und Breite, in den mehr zurücktreten-
den die Diagonalen, endlich ist in der grösseren Höhe
der vorderen und in der geringeren der übrigen Säulen
das verschiedene Höhenmaass der Schiffe angedeutet.
Einer dieser Pfeiler genügt, um die Hauptverhältnisse
des Ganzen zu bestimmen. Er entspricht vollkommen
dem Kreuzgewölbe und hängt mit demselben aufs Engste
zusammen; das Gewölbe erfordert den Pfeiler, dieser
jenes. Der Pfeiler hat den Vorzug auf festem Boden
zu stehen, er scheint aus ihm hervor zu wachsen, sich
zum Gewölbe zu entfalten und mithin diesem erst das
Dasein zu geben. Allein das Gewölbe schwebt auf
höchster Stelle, es ist die Seele des bewegten Lebens
und sieht auf den Pfeiler als seinen Diener und Träger
herab. Beide stehen in vollkommenster organischer
Wechselwirkung.
Die Halbsäulen der SeitenschiHe und der Arcaden
hatten noch ungefähr das antike Verhältniss der Höhe
zum Durchmesser; der vordere Rundschaft des Mittel-
schiffs, der bis zum obern Gewölbe hinaufsteigen muss,
ging weit über diese Gränze hinaus, und erreichte eine
Schlankheit, welche bei einer freistehenden Säule un-
möglich gewesen wäre. Allein dies erschien hier keines-
Weges auffallend; jene anderen Halbsäulen erklärten und
rechtfertigten die Dicke des Schaftes, während die
Pfeilerwand seine grössere Höhe motivirte. Er war ein
Sprössling derselben Wurzel wie jene, der durch das
Aufsteigen der Mauer, an der er haftete, ungewöhnlich
hßch hinauf gezogen war. Er gab nicht mehr die Säule,
sondern nur den phantastisch belebten Gedanken derselben,
und grade das Hinausgehen über die naturgemässe Gränze
War hier günstig, weil es den Beschauer anregte, ihn
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