Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

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Die 
Zeit 
der 
Wiedergeburt. 
des göttlichen Wortes und die unabweisbare Forde- 
rung der Natur treten nach menschlicher Auffassung in 
WVirlerspruch, und die Sünde findet zwiefaehen Anlass. 
Aber dennoch ist diese Zweihcit nicht ein Fluch, sondern 
ein Segen. Wie die sich selbst überlassene Natur zum 
Verderben führt, Würde das Wort allein zum starren, 
ertödteuden Gesetze werden, es bedarf des natürlichen 
Gefühls. In der Natur lebt, nur entstellt, nicht vertilgt 
durch die Sünde, die Gotteskraft der ersten Schöpfung. 
Sie zieht sich durch die vorchristliche Geschichte hin- 
(lureh, und dieser Faden ist auch jetzt nicht abgerissen; 
neben dem gesprochenen lVorte der Olfenbarung Wirkt 
noch wie früher die stille Leitung der Vorsehung, und 
die Macht der Umstände tritt ergänzend oder beschrän- 
kend entgegen, wo die verständige Folgerung aus der 
Schrift auf Irrwege führen würde. Daher bleibt auch 
jetzt neben der Allgemeinheit der Lehre das individuelle 
Leben der Völker mit ihren besonderen Anlagen und 
Richtungen bestehen; aus seinem Sehoosse gehen neue 
Nationen, neue Sitten und Gewohnheiten hervor, und die 
Freiheit der Einzelnen wirkt mit zur Bestimmung des 
Ganzen. 
Deshalb erkennen wir im Mittelalter eine doppelte Be- 
wegung; die eine von obenher, vom Worte der Schrift 
und (ler Kirche ausgehend, die andere von unten her- 
au f, aus dem Boden der Naturnothsvendigkeit aufwach- 
send; jene rücksichtsvoll, ernst, strenge, diese schein- 
bar inconsequent, bald kindisch und roh, bald kindlich 
und weich, beide oft widerstreitend, aber zuletzt sich 
einigend. Wenn jene der Geschichte des Mittelalters eine 
hohe Würde verleiht, giebt diese ihr ein lebendiges Inte- 
resse, und wir fühlen bei der Betrachtung der Hergänge
	        
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