Zeit
Die
der
Wiedergeburt.
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Menschen wahrnehmen können, jene plötzliche Umkehr
des Geistes, Welche der Anfangspunkt einer völligen
Erneuerung wird. Alle Erscheinungen, welche bei sol-
chen Einzelnen vorkommen, finden wir hier im grössern
Maassstabe wiederholt.
Die ersten Jahrhunderte nach dem Leben des Hei-
landes auf der Erde zeigen die Wirkungen des Christen-
thums an Individuen und ganzen Gemeinden in vollem
Maasse. Die apostolische Kirche, die stillen Liebesthaten
der ersten Gemeinden, die Glaubenskraft und Gedanken-
tiefe der Kirchenvater bleiben für alle Zeiten hohe,
unerreichbare Vorbilder. Aber diese Erscheinungen stehen
noch in heidnischen, oder doch nicht völlig christlichen
Umgebungen; die Umgestaltung der Welt im christ-
lichen Sinne beginnt erst jetzt, das Mittelalter ist ihre
erste Stufe, die Stufe hochaufjauchzeilder, stürmischer
Begeisterung, mit jugendlicher Wärme, aber auch mit
allen Schwächen solcher jugendlichen Erregung.
Denn Wiedergeburt ist nicht, wie sie von Freunden
und Feinden oft gedeutet wird, eine N eugeburt, nicht
das sinnliche Hervortreten einer neuen Gestalt, sondern
nur der plötzliche Anfang eines langwierigen, ja unend-
liehen Prozesses der Umbildung. Das alte Wesen wird
nicht vernichtet, nicht mit einem Schlage verwandelt,
sondern bleibt in seinen natürlichen und erworbenen An-
lagen bestehen, und wird nur allmälig in neuem Dienste
verändert. Daher mischt sich die alte Sünde in die hei-
ligsten Empfindungen, und das neue Wissen wird von
altem Wahne getrübt. Ja es entstehen stärkere Ver-
suchungen und schwerere Versiindigungen. Denn die
scheinbare Einheit des natürlichen Zustandes ist gebro-
chen, ein Zwiespalt in sie hineingekommen. Die Autorität