Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

Zeit 
Die 
der 
Wiedergeburt. 
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Menschen wahrnehmen können, jene plötzliche Umkehr 
des Geistes, Welche der Anfangspunkt einer völligen 
Erneuerung wird. Alle Erscheinungen, welche bei sol- 
chen Einzelnen vorkommen, finden wir hier im grössern 
Maassstabe wiederholt. 
Die ersten Jahrhunderte nach dem Leben des Hei- 
landes auf der Erde zeigen die Wirkungen des Christen- 
thums an Individuen und ganzen Gemeinden in vollem 
Maasse. Die apostolische Kirche, die stillen Liebesthaten 
der ersten Gemeinden, die Glaubenskraft und Gedanken- 
tiefe der Kirchenvater bleiben für alle Zeiten hohe, 
unerreichbare Vorbilder. Aber diese Erscheinungen stehen 
noch in heidnischen, oder doch nicht völlig christlichen 
Umgebungen; die Umgestaltung der Welt im christ- 
lichen Sinne beginnt erst jetzt, das Mittelalter ist ihre 
erste Stufe, die Stufe hochaufjauchzeilder, stürmischer 
Begeisterung, mit jugendlicher Wärme, aber auch mit 
allen Schwächen solcher jugendlichen Erregung. 
Denn Wiedergeburt ist nicht, wie sie von Freunden 
und Feinden oft gedeutet wird, eine N eugeburt, nicht 
das sinnliche Hervortreten einer neuen Gestalt, sondern 
nur der plötzliche Anfang eines langwierigen, ja unend- 
liehen Prozesses der Umbildung. Das alte Wesen wird 
nicht vernichtet, nicht mit einem Schlage verwandelt, 
sondern bleibt in seinen natürlichen und erworbenen An- 
lagen bestehen, und wird nur allmälig in neuem Dienste 
verändert. Daher mischt sich die alte Sünde in die hei- 
ligsten Empfindungen, und das neue Wissen wird von 
altem Wahne getrübt. Ja es entstehen stärkere Ver- 
suchungen und schwerere Versiindigungen. Denn die 
scheinbare Einheit des natürlichen Zustandes ist gebro- 
chen, ein Zwiespalt in sie hineingekommen. Die Autorität
	        
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