Einleitung.
gleichzeitig in Anspruch, ein fast unübersehbarer Reich-
thum provinzieller Formen soll berücksichtigt, verschie-
dene oft sich bekämpfende Einflüsse sollen gewürdigt
werden. Allein diese im Gegenstande liegende Schwierig-
keit ist die geringere. Die Geschichte muss Ja überall
darauf verzichten, die Lebensfülle der Wirklichkeit zu
erschöpfen, sie fasst. zusammen, ordnet, und es lassen
sich auch hier Standpunkte finden, wo das reiche Bild
sich in grossen Umrissen darstellt.
Ein grösseres Hinderniss liegt in uns, in unserer
Stellung grade zu jener Epoche. Das Mittelalter steht
uns näher, als die alten Völker, wir leben noch auf dem-
selben Boden, es sind unsere Vorfahren, mit denen wir
zu thun haben; unsere Sprache, unsere Institutionen,
Glaubenslehren, Gebräuche, Meinungen und Geschmacks-
ansichten wurzeln in dieser Zeit. Dies Alles erhöhet das
Interesse, erschwert aber eine unbefangene Betrachtung.
Persönliche Vorliebe und Abneigung, Wünsche und Be-
sorgnisse für Gegenwart und Zukunft mischen sich in
die Betrachtung der Vergangenheit, und wir beurtheilen
leicht vorzeitliche Verhältnisse nach unseren heutigen,
oft entgegengesetzten Bedürfnissen. Daher mag es ver-
stattet sein, dass der Schriftsteller sich gleich von vorn
herein über den Gesichtspunkt ausspricht, unter dem ihm
diese Zeit erscheint.
Die Aufgabe des Mittelalters war eine ausschliesslieh
christliche, daher können nur reinchristliche Begriife
uns bei der Betrachtung der daraus hervor-gehenden Er-
scheinungen richtig leiten , und vor Allem ist es ein
Fundamentalbegriff, der hier zur Anwendung kommt, der
der Wiedergeburt. Die Völker erlebten hier, was
wir an allen einzelnen, tief vom Christenthunl ergriiTenen