Der
'l'hurmbau.
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Allein auch sie umfasst noch das Ganze, giebt nur die
körperliche, ungetrennte Einheit, nicht die bedingte, aus
mehreren selbstständigen Gliedern bestehende. Der Tliurm-
bau des Mittelalters beruhte dagegen auf dieser freieren
Einheit, auf dem Gedanken der Gruppe. Daher besteht
er auch gewöhnlich in einer Mehrzahl von Thürmen, und
man begnügte sich nur da mit einem einzigen, wo die Be-
schränkung der Mittel oder eine hierarchische Rücksicht
auf den Rang der Kirche die freie Entwickelung verhin-
derte f). Die Stelle, wo die 'l'hürme angebracht sind, ist
nicht überall dieselbe, doch lässt sich die Verschiedenheit
auf eine Alternative zurück führen; entweder gruppiren
sie sich um das Mittelquadrat des Kreuzes, oder
sie sammeln sich auf der Vorderseite der Kirche. Im
ersten Falle begnügte man sich mit einer mässigen, ge-
wöhnlich achteckigen, Kuppel, die aber nicht, wie die
byzantinische mit ihrer Rundung heraustrat, sondern mit
einem mehr oder weniger zugespitzteu Dache versehen
war. Neben dieser Kuppel wurden dann entweder auf
den vier Ecken des Zusammenstosses der verschiedenen
Flügel des Gebäudes, oder doch an den zwei Ecken
des Choransatzes schlankere, höher hinaufsteigencie
'l'hürme angebracht. Es war daher ein Centralsystenr
fmfsteigcnder Spitzen, von denen die mittlere, obgleich
niedriger, durch ihre Masse und wegen ihrer gebietenden
Man lindet oft die Behauptung ausgesprochen, dass es ge-
meinen Pfarrkirchexl untersagt gewesen, mehr als einen Thurm zn
haben. Ich kenne keine gesetzliche Vorschrift dafür, aber thatsäch-
lieh ist es richtig, dass sie meistens in dieser Gränze blieben, selbst
bei bedeutendem Kostenanfwande, wie z. B. bei den Miinstern
i" Freiburg und in Ulm Es mag sein, dass es ein vnn den Bischö-
fßll bei den ihnen untergebenen Pfarrkirehen feslgehaltenes Herkoln-
men war. Stiftskirchen und Abteien waren nicht an diese ugggl
gebimden.