Die
Faqade.
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offenbarte, nämlich der Stellung des Christenthums in
einer noch heidnischen Welt, Wo es sich abzusondern und
seine Zugänge zu sichern genöthigt war: Schon in der
karolingischen Zeit fiel dies fort, da nun die neugebor-
nen Kinder getauft wurden und die Sünde nicht mehr den
Ausschluss aus der Kirche, sondern nur die Busse in
derselben bedingte; allein man fühlte die architektonische
Consequenz dieser Veränderung noch nicht, und umgab
die Kirche noch immer mit mancherlei Vorbauten. Der
Gedanke, auch auf der Westseite eine vertretende Chor-
nische anzulegen, hing damit zusammen, indem man den
Porticus beibehielt, während man den von demselben um-
schlossenen Hof nicht mehr zu benutzen wusste und
deshalb das Gebäude in ihn hineinrückte. Erst durch
die Feststellung des rhythmisch geordneten Plans wurde
man auf die Bedeutung der Vorderseite aufmerksam;
man bemerkte nun, dass die westliche, dem Chore ge-
genübergelegene Stelle die günstigste für den Ueberblick
des ganzen Zusammenhanges, dass daher hier der Haupt-
eingang anzubringen sei, und dass ferner diese Wand
allein sich eigne, die Bedeutung des Innern schon dem
Herarmahenden zu zeigen und sie kräftig am Lichte des
Tages auszusprechen. Die Seitenmauern und die Chor-
Iüsche gaben sich auch im Aeussern als vermittelnde,
einen Uebergang bildende Theile zu erkennen, nur die
Vorderseite gewährte einen ruhigen Anblick, sie war der
Ausgang und der Schluss dieser innern- Bewegung und
repräsentirte daher das Ganze. Man liebte es besonders
in der friihern Zeit des Mittelalters an der bedeutendsten
Stelle der Faqade das Bild des Weltrichters mit den
griechischen Buchstaben A und O, die Christus als den
Anfang und das Ende der Dinge bezeichnen, anzubringen,