Das
gemeinsame
Ideal.
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Säulenhaus, das von Säulen umgebene und getragene
Haus bezeichnete, war eine Anschauung gegeben und
eine eigenthümliche sehr einfache und zugleich den frü-
heren Völkern unbekannte Form vor die Seele gestellt.
Die Grundform der mittelalterlichen Kirchen ist minder
eigenthümlich; es i.st die im Innern getheilte auf Pfeilern
oder Säulen ruhende Halle, dieselbe Form, welche
auch in der altchristlichen Basilika angewendet war, und
Welche dem Bedürfnisse der christlichen Kirche derge-
stalt entspricht, dass auch die spätem Jahrhunderte sich
nicht ganz davon losgerissen haben; Die Eigenthümlich-
keit des Mittelalters liegt also nicht in dieser Grund-
form, sondern in der Auffassung und Ausbildung der-
selben; es handelt sich schon hier wie bei der Schei-
dung der beiden Style, weniger um eine äussere mate-
rielle Gestalt, als um eine Betonung, um das hineinge-
legte Gefühl. Es kam hier wie durchweg im Mittelalter
nicht auf eine neue Welt, sondern auf eine Umgestal-
tung und Erneuerung der alten an. Das Verhältniss
zur altchristlichen Basilika liesse sich vielleicht damit
bezeichnen, dass das Streben des Mittelalters, im Gegen-
Satze gegen die unausgebildete, auf die organische
Basilika gerichtet war; aber ich müsste dann sogleich
hinzufügen, dass das "Organische" hier in einem eigen-
thümlichen Sinne zu verstehen sei. Auch die griechische
Architektur ist organisch durchbildet, und vielleicht
im höchsten Sinne des Wortes, ihre Glieder verbinden
sich zu einem lebensvollen Körper und selbst das leich-
teste Ornament ist von demselben Geiste durchdrungen.
Fragen wir aber nach dem Organischen, Wie es Sich in
der Natur zeigt, so finden wir keine Aehnlichkeitä alle
Hallptformen sind vielmehr anorganisch, steoremetrisch