Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Das eigentliche Mittelalter (Bd. 4 = [2], Bd. 2, Abth. 1)

102 
Das 
Universum. 
umsomehr einen Schein äusserer Festigkeit und sinnlicher 
Gewissheit. Diese fehlerhafte Eigenschaft des Denkens 
hing mit einer Thätigkeit der P h a n ta si e zusammen, welche 
während der Arbeit des Gedankens die Vorstellung von 
sinnlichen Dingen und von geistigen Wesen unterschob. 
Mehr als an allem Andern können wir hieran die gei- 
stige Eigenthiimlichkeit des Mittelalters erkennen und uns 
die innere Ruhe und Einheit der Gemüther erklären. Die 
Seelenkräfte, so gesteigert ihre Aeusserungen waren, hingen 
doch noch innig zusammen; die vermittelnde Phantasie 
theilte dem Verstande etwas von der Frische und Kraft 
des 
Gefühls , 
dem 
Gefühle 
etwas 
VOll 
Feinheit 
der 
des 
Verstandes mit. Die Gedanken verkörperten sich zu er- 
scheinenden Gestalten, die wirklichen Dinge verflüchtig- 
ten sich zu idealen Erscheinungen. Die Gegensätze des 
Geistigen und Sinnliehen, die im Leben weit auseinander 
gingen, liefen im tiefsten Grunde der Seele zusammen, 
sie gaben für die Anschauung nicht parallele Reihen, die 
sich unberührt lassen, sondern divergirende Linien, die 
gerade deshalb im äussern Leben durch einen weiten 
Raum getrennt schienen, weil sie in ihren tiefsten Wur- 
zeln zusammenhingen. Daher war denn innerlich Frie- 
den, Während äusserlich der Kampf tobte; das Auge des 
Glaubens sah jenseits der Nebel sündlicher Verwirrung 
die Welt als das Werk Gottes ruhig vor sich ausgebrei- 
tet, Erde und Himmel als das Spiegelbild göttlicher Ei- 
genschaften, und die Engel des Herrn niedersteigen, um 
seine Beschlüsse auszuführen und selbst die Sünde sei- 
nem 
Willen 
dienstbar 
zu machen. 
Aus 
diesem 
Glauben 
und aus der geistigen Anlage, auf welcher er beruhte, 
ergab sich die Freudigkeit und Sicherheit, das WVohlgefühl,
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.