Realisten
und
Nominalisten.
lOl
dem flüssigen Zusammenhange herausrissen und zum Ge-
genstande ihrer Betrachtungen machten k), indem sie diesel-
ben mit neuerfundenen, volltönenden lateinischen Kunstwör-
teru belegten, gleichsam tauften, mit Kunstwörtern, die we-
gen des mangelnden Artikels dem an die Nationalsprachen
gewöhnten Ohre völlig wie Eigennamen klingen mussten,
hatten sie dieselben schon zu dem Range selbstständiger
Gedankenwesen erhoben. Wenn man ihnen nnn auch das
Prädicat der Realität oder Existenz absprach, so behielten
sie doch als Subjecte dieses Urtheils einen Schein von
Wesenheit. Daher nannte man sie auch Nomina, gleich-
sam Namen, denen die Person abhanden gekommen war.
Auch die Benennung der Parteien ist charakteristisch für
den Unterschied der damaligen Denkungsweise von der
nnsrigen; wir würden gerade die N ominalisten, weil mehr
an der gemeinen Wirklichkeit hangend, Realisten, diese
aber, weil blossen Gedanken Existenz verleihend, Ideali-
sten genannt haben. Man sieht, der Unterschied besteht
darin, dass wir von den wirklichen Dingen, jene von
den ideellen ausgehen, dass uns jene gewiss, diese pro-
blematisch erscheinen, während es dort umgekehrt war.
Freilich war dieser Idealismus nicht von der reinsten Art,
weil er die Gedanken ihrer Flüssigkeit beraubte, so dass
statt der Einen Idee mehrere ideelle Dinge entstanden;
allein
eben
dadurch
erhielten
diese
Gedankendingv:
llllf
Qualilas, Quantitns, Quidditas, Haecceitas, relatio, actio, pas-
siu u.s.f. Nach DunsScotus (Tennemann a. a.0. S. 741) besteht je-
des Ding aus der Quidditas und I-laecceitas, d. i. aus der Gattung
und Siugularität, z. B. Petrus aus derI-lumanitas und derPetreitas. Die
höchste Spitze der Erstarrung der Begriffe war die s. g- KlmSl des
Raymund Lullus der sie auf bestimmte Zahlen und Üfdnllngen
reduciren, und durch ein mechanisches Verfahren die grössten Pro-
bleme lösen zu können glaubte.