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Realisten
und
Nominalisten.
man am deutlichsten auf einem Gebiete, das ziemlich ent-
fernt von der Kunst zu liegen scheint, im Innern der
scholastischen Philosophie. S0 lange die Scho-
lastik herrschte, bestanden in ihr zwei Parteien, die sich
heftig bekämpften, die Realisten und die Nominali-
sten. Es handelte sich um das Wesen der Universalia,
der allgemeinen Begriffe, z. B. der Gattungen, Eigen-
schaften u. s. f., und um das Verhältniss dieser Abstrac-
tionen zu den wirklichen, individuellen Dingen. Da diese
Begriffe ewig sind, die einzelnen Dinge aber vergäng-
lich, so glaubte man jenen ein selbstständiges höheres
Dasein beilegen zu müssen. Es knüpfte sich daran der
Gedanke von der Herleitung aller Dinge aus Gott, wo
man denn geneigt war, die Universalien als unmittelbarere,
geistigere Schöpfungen ihm näher zu stellen, als die ih-
nen untergeordneten einzelnen Dinge. In diesem Sinne
behauptete man, dass die Universalien eine reale Exi-
stenz in der Natur der Dinge hätten. Andere fanden
dies widersinnig und nahmen an, dass sie blosse Namen
seien, die nur im denkenden Geiste existirten. Die An-
hänger dieser letzten Meinung hiess man deshalb Nomi-
nalisten, jene ersten aber, weil sie den Universalien
Realität beilegten, Realisteniii). Nichts ist geeigneter,
i) Vilw- Bellov. fasst die Streitfrage dahin: Utrum habeant uni-
versalia esse in rerum natura an non (s. solum in intelleclu). Ten-
nemaun VIII. 477, 478. Eine deutlichere Anschauung giebt die Art
wie Occam (daselbst S. 846) den Realismus delinirt, als die vopinio,
quod quodlibet uuiversule univocum est quaedam res existens extra
auimam realiter, distincta realiter a quolibet singulari et a quolibet alio
universali." Et ila quot sunt universalia pracdicabilia, lol suntres realiter
dislinctae, quarum quaelibet realiler distingulilur ab alia. Mm] kann
beide Parteien auf Plato (als den Urheber des Realismus) und Ari-
stoteles (als Nominalisten) zurückführen, und man thal dies schon
im Miltelaller (Joh. v. Salisbury bei Brucker hist. crit. lll. 904) aber