Allegorische
Personificationen.
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als die Todsünden: Stolz, Neid, Zorn, Lässigkeit, Geiz,
Völlerei, Wollust, bezeichnet. Indessen banden sich die
Dichter und die Verfasser der Lehrbücher nicht strenge
an Zahl und Namen, sie vermehrten sie, theilten sie
anders ein, und selbst in der bildenden Kunst finden sie
sich durch andere ergänzt oder ersetzt 3). An diese aus
der Vorzeit überlieferten reiheten sich dann andre, im
Mittelalter erfundene Personificationen, die aber
allgemein adoptirt wurden und daher auch einen histo-
rischen Charakter erhielten. So die Gestalten des
Christenthums oder Glaubens und des Judenthums
oder Gesetzes, die wir oft an den Kirchenthüren oder
neben dem Gekreuzigten finden; jene mit dem Kreuze
oder Kelche, diese mit dem gebrochenen Stabe des Ge-
richts und mit verbundenen Augen. S0 ferner die Ge-
stalt der Welt, welche bei deutschen Dichtern mehr-
mals vorkommt und als eine Frau geschildert wird, die
vorne schön und geschmückt, hinten aber verwest und
von Würmern zernagt ist. Die Gewohnheit der Perso-
niücation gestattete es aber auch, dass man nicht bloss
Begriffe und Eigenschaften, sondern auch natürliche
Dinge in menschlicher Gestalt darstellte, und so die
Ü So sind an dem Dom zu Chartres 14 'l'ugenden oder virtutes
(in einem allgemeinem Sinne. als gute Eigenschaften) aufgestellt, Im-
ter denen Libertas, Honor, Velocitas, Concordia, Amicitia, Majestas,
Sanitas und Securitas durch Inschriflen bezeichnet sind. [Didfßll
in den Annal. arch. VI. p. 48 ili] Statt der gewöhnlichen 7 Lßslßl"
Oder Todsünden: Superbia, invidia, ira, acedia, avaritia, gulß, lllxllriß,
giebt Giotto in der Arena. zu Padua die Negalionen der 7Tugenden:
lnjustitia, Ira, Stullitia, lnconstanlia, Inlidelitas, Invidia, Dßsllerallliü-
Dante im Purgalorio bringt die Todsündeln in gegwsäizüche Verbill-
drlng mit den in der Bergpredigt verkündigten Seligkeiten, die er
zu diesem Zwecke auf 7 reducirt, und in eine entsprechende Ord-
llllllg stellt.