Allegorische
Personen.
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götter wankte und selbst die Vertheidiger des Heiden-
thums sie nur durch symbolische Deutung zu halten
suchten, die allgemein verbreitete geworden. Sie war
auch den römischen Christen weniger feindlich; es liessen
sich selbst Argumente für das Christenthum daran knüp-
fen, und manche dieser Gestalten blieben als herge-
brachte Bilder für den Ausdruck gewisser Verhältnisse
und Eigenschaften im Gebrauch. Besonders die christ-
lichen Dichter und Schriftsteller adoptirten diese allego-
rischen Persönlichkeiten gern, weil sie ihnen einen leicht
zu handhabenden poetischen Apparat boten und ihrer
lehrhaften Absicht dienten. Mehrere dieser Schriften er-
langten nun in den Studien des Mittelalters eine grosse
XVichtigkeit. Dahin gehörten besonders die Psychomachia
des Hymnendichters Prudentius 405), und das s. g.
Satyrikon des Marcianus Capella (461), die beide als
Schulbücher gebraucht wurden und in hohem Ansehn
standen. Hier treten nun die Tugenden und Laster, die
sieben freien Künste und eine Menge andrer allegorischer
Personilicationen handelnd aufl Diese Gestalten hatten
daher einen historischen Boden, sie beruheten auf einer
ehrwürdigen Tradition, und wenn man auch wusste, dass
die Werke, in denen sie vorkamcn, nur Dichtung, nicht
Wirkliche Geschichte enthielten, so war man doch zu
sehr gewöhnt, der schriftlichen Ueberlieferung zu glauben,
um ihnen jede Realität abzusprechen. In der That rei-
hete sich die Vorstellung solcher Wesen sehr leicht an
die der Engel an. Man wusste dass die Engel unzähl-
bar, dass sie in viele Ordnungen getheilt und ihnen VET-
sehiedene Geschäfte überwiesen seien, dass einige von
ihnen Einzelnes, andere Allgemeines zu leiten hatten.
Man fand sogar, dass einer ihrer Chöre den Namen