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Verfall
des
römischen
Reichs.
Sie schläft (Victoria dormit), manchmal eine schmerzlich
hoffnungsvolle Hindeutung auf die Zukunft (qui amabit
me, der mich lieben wird m). Bei der Einfachheit und
Unvollkommenheit dieser Inschriften hat die Zärtlichkeit
des Ausdrucks etwas
sicher, dass sie nicht
ungemein Rührendes.
erkünstelt, nicht bloss
Wir
eine
sind
her-
kömlnliche Phrase lachender Erben ist; eine Wärme des
Gefühls und der persönlichen Verhältnisse ist hier in
Klassen der Gesellschaft eingedrungen, die sonst nur dem
Erwerbe oder dem sinnlichen Genusse nachgingeil. Da-
durch erhalten denn auch jene schwach und unvollkom-
men gezeichneten Symbole eine eigenthümliche Bedeutung;
wir sehen diese einfachen und ungebildeten Leute mit
Ideen beschäftigt, für welche ihnen genügende Worte
fehlen. Sehr wichtig ist auch die Mannigfaltigkeit dieser
Symbole. Es sind nicht etwa einzelne Erkennungszeichen,
nicht priesterlich angeordnete Hieroglyphen, sondern Er-
zeugnisse einer freiwirkenden Phantasie. Die ganze Natur
löste sich für diese Christen in ein Symbol der Heilslehre
und des Erlösers auf; alles hatte irgend eine Beziehung
auf ihn. Die metaphorische, vergleichende Phantasie der
Orientalen drang durch die heiligen Schriften in das Leben
der abendländischen Völker ein , iixirte sich hier zum
Bilde und wurde ein, auch für die künstlerische Richtung
der folgenden Jahrhunderte wichtiges Element.
d) Vielleicht ist aber amahit nur statt anlabat fehlerhaft ge-
schrieben, so dass es eine Erinnerung an die Vergangenheit darstellt.
Manchmal streift das Lob an das Lächerliche, z. B. wenn wir erfah-
ren, dass der Marcianns, der von beWllndernsvviirdiger Unschuld und
Klugheit war (mirae innocenliae ac sapientiae) nur ein Alter von
vier Monaten erreicht. Zuweilen linden sich auch Aeusserungen,
welche nicht grade christlicher Milde würdig sind, z. B. Male pereat.
insepultus jaceat, non resurgat, cum Juda pilftßm-ilälbßßl, si qnis
sepulchruln hunc (sie) violaverit. Aringhi II. 257 u. 174.