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Verfall
des
römischen
Reichs.
dass die Liebesgemeinschaft der Gläubigen, die ja auch
über das Erdenleben hinausreichen sollte, ihnen nicht ge-
stattete, wie es die Römer pflegten, ihre Leichen in
einzelnen Familiengräberil isolirt zu bestatten; die Ge-
meinde musste auch nach dem Tode zusammenbleiben,
sie bildete nur eine Familie. Diese unterirdische Stadt,
ohnehin ein geeigneter Ort für die Abgeschiedenen, hatte
Raum für sie alle. Es war ein schöner Gedanke, da zu
ruhen, Wo man in deriGefahr des Lebens Schutz gesucht,
wo man die Worte der Zuversicht, der innern Beruhigung
gehört hatte. Es war auch ein milder, freundlicher Ge-
danke für die Ueberlebenden, dass die Vorausgegangenen
dennoch in ihrer Mitte, ihren heiligen Versammlungen, ihren
Liebesmahlen nahe blieben. Besonders wichtig wurde diese
Verbindung der Gräber und des Versammlungsortes in
den Zeiten blutiger Verfolgungen. Nichts war natürlicher,
als dass man die, deren Festigkeit im Glauben selbst
durch die Schrecken des Todes nicht erschüttert worden
war, die mit ihrem Blute' für die Wahrheit ihrer Lehre
Zeugniss gegeben hatten, besonders ehrte, und dass man
diese Ehre, welche die Lebenden nicht entgegennehmen
konnten, an ihren Ueberresten zeigte. Auch schien es
vortheilhaft, diese vor Augen zu haben, um sich stets
an die Pflicht ähnlicher, unerschütterlicher Treue zu er-
innern. Man liebte es daher, sich an ihren Gräbern zu
versammeln, über ihnen das friedliche Liebesmahl zu
halten, und es galt bald für einen Vorzug, in ihrer Nähe
der einstigen Auferstehung entgegen zu harren
f) Es ist begreiflich, dass dies bald eine abergläubische Färbung
annahm. Wir gesellen, sagt der Bischof Maximlls von Turin im vier-
ten Jahrh., unsre Körper den Gebeinen der Heiligen, damit, weil die
Hölle sie fürchtet, auch uns die Strafe nicht erreiche, weil sie Christus
erleuchtet, auch von uns das Dunkel der Nacht verscheucht werde
(Bei Bellermann über die Katakomben von Neapel).