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Richtung
der
karolingisclmexm
Kunst.
fähig und dadurch den feinsten Eigenthümlichkeiten sich
anschliessend, dabei nicht bloss, wie das Maass, eine
äussere, vergleichende Rücksicht, sondern wie der Klang
eine selbstständige Aeusserung der innern Kraft. Sie
kann daher als ein Ausdruck des Innersten, wenn ich so
sagen darf: der Seele der Dinge, gelten, und ist es auch
in der Wirklichkeit oft. Indessen verhält es "sich hier
ungefähr ebenso wie mit dem Klange der Worte in der
Sprache; nur am Ursprünglichen, bei den Gattungen oder
bei besonders kräftigen Dingen behält die Farbe diese
Geltung, bei andern wird sie durch Zufälligkeiten be-
stimmt. Auch die Kunst bedient sich ihrer daher nicht
bloss in jener speciellen Beziehung, als charakteristisch für
den einzelnen dargestellten Gegenstand, sondern sie benutzt
sie im Ganzen, um durch die Wahl und Verbindung der
Farben, welche im Bilde erscheint, ein Allgemeines, eine
Region des geistigen und körperlichen Lebens , eine
Stimmung, auszusprechen. Ganz so wie in der Poesie
der Reim erhält also die Farbe eine mehr subjective als
ob jective Anwendung.
Ueberdies giebt es bei beiden einen noch unbestimm-
teren Gebrauch. Das Ohrwird durch den Klang der
Reime auch dann ergötzt, wenn eine so tiefe künstleri-
sche Durchbildung, wie zum Ausdrucke der Stimmung
erforderlich, nicht vorhanden. Das Auge erfreut sich mit
grösserem Rechte an einem harmonischen Wechsel der
Farben, auch wo keine bestimmten Gegenstände darge-
stellt sind, kein Werk der höhern Kunst beabsichtigt
ist. Farbe und Klang erscheinen hier nur als Elemente,
die höherer Gestaltung fähig sind, sie geben nur Ahnun-
gen ihrer höhern Bedeutung und gewähren eine unbe-
stimmte, aber nicht verächtliche Anregung des Simies.