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Richtung
der
karolingischen
Kunst.
Dies
führt uns
auf
eine
zweite
tiefere
und
mehr
nerliche
Verwandtschaft
zwischen
dem
Reime
und
dem
bildnerischen Sinne, welcher sich in dieser fränkischen
Kunst schon geltend macht. Die Regel des antiken Vers-
maasses ist, wie wir sahen, in der Natur begründet,
sie geht aus dem Tonfall der Rede, aus dem Ausdrucke
unmittelbar hervor. Aber mit dem Wesen des Wortes
hat sie wenig oder gar nichts gemein, für dieses ist sie
etwas ganz Aeusserliches; sie misst alles nach dem ein-
förmigen Maasse von Länge und Kürze, die Mannigfal-
tigkeit der Bedeutung ist ihr gleichgültig. Im Reime
dagegen kommt auch der Sinn der Worte in Betracht,
llIld auch darin liegt ein Naturelement. Jeder der nur
einmal darauf aufmerksam ist, muss es wahrnehmen, dass
die Laute des Wortes keinesweges ganz willkürlich und
ohne Beziehung auf die Bedeutung sind. Wenigstens
gilt dies von der ersten Entwickelung der Sprache; bei
den Stammwörtern ist eine Verwandtschaft des Lautes
mit der Bedeutung nicht zu verkennen, gewisse Laute sa-
gen einer Vorstellung zu, sie kehren in Wörtern ähnlicher
Bedeutung wieder, werden bei geringen Abweichungen
des Sinnes mit Modificationen gebraucht. Zum Theil ist
die Verknüpfung gewisser Töne mit gewissen Begriffen
so in der menschlichen Natur begründet, dass sie sich bei
allen oder vielen Völkern findet, zum Theil beruht sie
nur auf einer Gewöhnung, deren Ursprung nicht aufzu-
zeigen ist. Bei weiterer Ausbildung der Sprache herrscht
zwar das Bedürfniss der Unterscheidung mannigfacher
und freier Begriffe so sehr vor, dass darüber die erste
Abstammung der Wörter vergessen wird, indessen be-
halten doch jene frühen Eindrücke noch ihre Kraft. Der
Klang des Wortes hat daher eine Bedeutung, die wir