Die
geiStige
Grundlage
des
Reimes.
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hebräischen Dichtungen und ihrer formellen und geistigen
Antithese dazu bei, diese Neigung zu begünstigen; dass
man sie aber nicht ausschliesslich daher leiten darf, geht
schon daraus hervor, dass bei den Byzantinern dieselben
Vorbilder diese Wirkung nicht hervorbrachten. Die eigen-
tlxümliche Weise, wie dieses geistige Element bei den
Germanen im Reime sowohl wie in der bildenden Kunst
sich äusserte, zeigt endlich noch deutlicher,
Wurzel in ihrer Nationalität hatte.
dass
es seine
Denn auch hier gestaltete sich das Princip des Ge-
gensatzes und der Gebrauch des Heimes bei diesen Völ-
kern nicht gleich, sondern in individueller Verschiedenheit.
Bei den Juden finden wir auch hier eine ursprüngliche
Frische, aber zugleich eine Formlosigkeit, welche es zu
fester künstlerischer Ausbildung nicht kommen lässt. Bei
den Indern spricht sich in ihrem langgegliederten Versbau
die ganze Weichlichkeit ihres Wesens aus. Bei den Arabern
herrscht auch im Reime dasselbe Spiel zierlicher Willkür,
wie in der Arabeske. Bei den christlich-germanischen
Völkern endlich kommt es, wiewohl erst allmälig, noch
nicht in dieser frühen Periode, und mit manchen Schwan-
kungen und Uebergängen, zu einer geregeltem Ausbildung
der gereimteil Poesie. Ich darf dies nur andeuten, da
die weitere Ausführung und Vergleichung dieser V er-
schiedenheiten im Gebrauche des Reimes mit den geistigen
Eigenthümlichkeiten dieser Völker mich zu weit von
meiner eigentlichen Aufgabe ablenken würde.
Dagegen bedarf es noch einiger Bemerkungen über
die Verwandtschaft des Formprincipes, das sich in jener
fränkischen Arabeske, mit dem, welches sich im Reime
zeigt, und über das Verhältniss dieses Formprincipes zu
dem der griechisch-römischen Kunst. In dieser nahm die
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