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Richtung
der
karolixrgischen
Kunst.
sehr Verwandtes, die freie, von keinem festen Gesetze ,
sondern nur von einem feinem Gefühle geleitete Folge
der Worte, und ihre Anordnung zu einer Antithese.
Das geistige Element, welches bei allen diesen Völ-
kern den Reim oder etwas Aehnliches hervorbrachte, ist
daher hauptsächlich die Neigung zur Auffassung des
Gegensatzes. Es hat hienach eine allgemeinere Bedeutung
als das welches derArabeske zum Grunde liegt, ist aber
dessen Basis; denn die schriftliche Offenbarung ist grade
die entsohiedenste Form des antithetischen, der Natur
gegenüber tretenden Geistes. Es ist dies auch leicht
erklärlich, da der Reim selbst eine allgemeinere, nothwen-
digere Bedeutung auf dem Kunstgebiete hat, als die Ara-
beske. In der alten Welt gehört diese antithetische
Richtung vorzugsweise dem Orient an. Die Culturvölker
Europas, die Griechen und Römer mit ihren Vorgängern,
sagen sich entschieden davon los, sie betrachten Himmel
und Erde als eine grosse Einheit; bei ihnen verschwindet
daher auch der Reim völlig, sie kennen nurdie gegliederte,
plastische Form des Maasses. Durch die Germanen kam
jene Richtung wieder auf, sie brachten ein orientalisches
Element in das europäische Leben und verschmolzen es
mit den Resultaten jener klassischen Bildung, die sie als
Erbschaft empfingen. Man kann diese Bemerkung in vielen
Beziehungen weiter durchführen, und vielleicht darin die
Eigenschaft finden, welche den neuern Europäern den
universellen Charakter verleihet, und sie fähig macht, auf
die Eigenthümlichkeiten der verschiedenartigsten Nationen
einzugehen. Sie ist aber auch für das Verständniss der
bildenden Künste, wie sie sich unter den Händen der
germanischen oder halbgermanischen Völker entwickelten,
vielfach wichtig. Gewiss trug die Bekanntschaft mit den