Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Richtung 
der 
karolingischen 
Kunst. 
Zweck, sonderte die begrifflichen Bestimmungen als Hülfs- 
Wörter von dem bedeutungsvollen Stammworte, und brachte 
nun bald wirkliche Reime in der neuen Sprache hervor. 
Bei den ersten deutschen und christlichen Versen, in der 
poetischen Version der Evangelien durch den Mönch 
Ottfried ist der Reim, wenn auch noch roh und unvoll- 
kommen, doch schon anerkannte und beständig durchge- 
führte Regel. Er fand nun allgemeine Nachahmung, zuerst 
in deutschen, dann auch in lateinischen Dichtungen, und 
behauptete demnächst auch in den übrigen Nationalspra- 
chcn des Abendlandes seine unbedingte Herrschaftili). 
So zeigt sich also in der germanischen Welt der 
Reim, das Formprincip der neu entstehenden und künfti- 
gen Poesie, ungefähr gleichzeitig mit den ersten Regun- 
gen eines neuen Formprincipes für die bildende Kunst in 
der Arabeske. Beide treten in ähnlicher WVeise hervor, 
unbemerkt und anspruchslos neben der bewussten Nach- 
ahmung antiker Vorbilder; der Reim in den deutschen, 
 Die Ueberreste gothisclter Sprache und das älteste Frag- 
ment eines deutschen Heldengesanges, das berühmte Hildebrandslietl 
aus dem 8. Jahrll. haben nur Alliterationeil, keinen Reim. Selbst 
noch die mit Ottfrieds Gedicht gleichzeitige niedersächsische Evan- 
gelienharmotiie ist nur alliterirt (Gervintts, Gesch. d. poet. Nationalit. 
d. D. I. 67). In lateinischer Sprache behielt man auch bei germani- 
schen Stollen (wie in dem Walter von Aquitanien des Mönches 
Eckehard aus dem 10. Jahrh.) den Hexameter bei, und die skandina- 
vische blieb auch in der Edda bei Alliteratiotiexl stehen.  Die Ge- 
schichte des Beims in ihrer Beziehung auf die Sprache bedarf noch 
näherer Untersuchung, welche ihr niemand besser als Jakob Grimm 
widmen könnte, völlige Aufklärung würde sie Wohl nur dann erhal- 
ten, wenn man die Veränderungen der Musik oder doch des ntusi- 
kalischen Sinnes unter der Einwirkung des Christentlntmes und der 
germanischen Nationalität näher nachzuweisen vermüchte. Einzelne 
Bemerkungen darüber gab schon Herde: in dem 2. Theile der Ab- 
handlungen und Briefe über schöne Iriteratltr und Kunst (Sämmtl. 
SV. Bd. 16. S. 15. Hi).
	        
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