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Richtung
der
karoliugischeu
Kunst.
heilige Wort hatte die Bestimmung die Anschauung seiner
reinen Gestalt zu vermifteln, ein neues Lebenspriucip zu
bilden, es war nicht bloss eine abstracte äusserliche Vor-
schrift. Das Christenthum ist daher auf Schrift und Na-
tur zugleich angewiesen, und es liegt nur in der Schwäche
des menschlichen Wesens, in den Gesetzen einer freien
Entwickelung, dass die Vereinigung des Gegensatzes
nicht leicht und mit einem Male, sondern allmälig stufen-
weise erreicht wird. Bei den Völkern des Islam ist. deshalb
auch die Ayabeske die einzige Aeusserung des Formsin-
nes, anmuthig und lockend, aber täuschend und unfrucht-
bar; bei den Christen trägt sie dagegen gleich anfangs
den Keim zu höherer Entwickelung in sich.
Auf christlichem Boden selbst war aber das Ver-
hältniss
ländem
zur Natur bei den Byzantinern und bei den Abend-
verschiedexm. Diese im Gefühl ihrer Rohheit
mussten sich so gut wie ganz von ihr lossagen, jene
dagegen blieben mit den Gesetzen der Natur vertrauter,
wenn auch nicht in neuer christlicher Weise, sondern im
Sinne der römischen Welt. Ueberdies stand die Schrift
den Abendländern, schon Wegen der Verschiedenheit der
Ursprache, fremdartiger entgegen, war ihnen daher neuer
und wichtiger, als den Griechen, näherte sich in ihrer
Bedeutsamkeit mehr der des Koran. Es kam hier darauf
an, sich demüthig und allmälig hineinzuleben, während
die Byzantiner sie dreist interpretirten, wie die Worte
der Philosophen oder wie legislatorische Aussprüche.
Auch in so harmlosen Aeusserungen, wie die Arabeske
ist, können wir diese Verschiedenheit beobachten. Denn
bei den Deutschen entwickelt sie sich freier, abstracter,
mehr als reines Spiel, bei den Byzantinern bleibt sie ent-
weder dürftig, eine magere Zusammenstellung einfacher