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Richtung
der
karolixugischcln
Kunst.
dass sie auch jene erste und leiseste Aeusseruug unge-
buudener Formbildung, die freie Schrift, nicht besassen ,
sondern N aturfonneim als Buchstaben brauchten.
Wir werden dadurch auf einen wichtigen Unterschied
aufmerksam gemacht, der in vielen Beziehungen grossc
Aufschlüsse gewährt, auf den zwischen den Völkern der
N aturreligion und denen der Offenbarung oder der
Schrift. Ich darf bei meinen Lesern schon voraussetzen,
dass sie die Verwandtschaft künstlerischer Formen mit
den Grundelementen des Geistes leicht auffassen, und
darf es daher kurz aussprechen, dass schon durch diese
Grundverschiedenheit die Kunst bei jenen eine Richtung
auf plastische Wirklichkeit und Fülle, bei (liescn auf
phantastische Leichtigkeit erhalten musste, welche
letzte sich denn in der Arabeske am Entschiedensten
ausspricht.
Auch dieser Gegensatz aber prägt sich, wie andere,
in der Geschichte nur individuell aus; denn in sehroifster
Einseitigkeit kann weder das eine noch das andere existi-
ren. Der Natur kann sich der Mensch weder ganz hin-
geben noeh ganz entziehen; beide Richtungen verhalten
sieh nicht aussehliessend gegeneinander, sondern streben
einander entgegen; die höchste Vollkommenheit würde
da vorhanden sein , wo sie völlig verbunden und ausge-
glichen wären. Schon in der alten Welt fanden wir Völ-
ker, deren Religion mehr den Charakter der geoffenbarten
als der natürlichen hatte; ich meine nicht bloss die J u-
den, sondern auch die Perser. Bei beiden war aber
die geistige Oüenbarung noch mit einem Naturelemexit
verbunden, sie war keiuesweges völlig zur Schrift ge-
worden. Denn bei den Persern hatte das Wort Zoroasters
nicht
die Bedeutung göttlicher Erleuchtung,
sondern mehr