Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Richtung 
der 
karolingischen 
Kunst. 
Die Erklärungen dieser Erscheinung, welche-man 
gewöhnlich, besonders früher gab, sind völlig zu verwer- 
fen. Eine Einwirkung der ascetischen Richtung auf die 
Kunst, nach welcher man es für" nöthig gehalten, die 
Gestalten recht leblos und abgetödtet darzustellen, fand 
wenigstens jetzt nicht statt; die Figuren zeigen keine 
Spuren von Kasteiung und Abmagerung, sie sind viel- 
mehr derb und voll, nur roh und unbeholfen. Noch weni- 
ger lag es an einem Mangel technischer Fähigkeit, so 
dass man die Abweichungen von der Natur, die verrenkten 
Arme und Füsse, die übergrossen Augen u. derglÄwohl 
bemerkt, aber diesen Fehlern nicht abzuhelfeil gewusst 
habe. Die Arabesken beweisen eine hinlängliche Uebung 
der Hand, und Karls Eifer hätte Wohl die bessern Talente 
herbeigezogen. Es ist vielmehr gewiss, dass die Zeit- 
genossen von diesen mangelhaften Zeichnungen völlig 
befriedigt waren. Sie rühmten sie, sie bemerkten keine 
Abweichung von der Natur; wir finden in allen diesen 
Jahrhunderten zahlreiche Stellen, wo es heisst, dass die 
Gestalten gemacht wären, als ob sie lebten und wahres 
Fleisch hätten?) Man hatte also kein scharfes Auge 
für die Natur, man sah sie ungefähr so, wie sie in diesen 
Bildern erschien. 
Bei den Mönchen, welche in den Klosterschulen die 
Malerei erlernten, ist dies schon aus einem nahe liegen- 
den Grunde begreiflich. Alles Lernen, als passives Auf- 
i) Z. B. Agnellus (Vit. S. Maximiani c. VI. in Murat. Scr. 
rer. lläl. t. ll. part. 1. p. 108.) von Teppichen, in Welchen die XVun- 
der Christi eingewebt sind: In carne omnes vivae sunt.-Fortun. Iib. 
l. carm. 12.: Artificenlque putes hic animasse feras.  Von den 
Malereien, welche Wilhelmus Bischof von Maus ausführen liess, 
heisst es in der Chronik: Viventium speciebus expressis conformalae 
(Mabillon Amulect. lect. vet. mon. t. III. p. 367.).
	        
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