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Plastik
Malerei
im
karolixlg.
Zeitalter.
terscheidungen , welche der Bilderstreit hervorgerufen
hatte, gar nicht daran zu denken. Die fränkischen Mi-
niaturmaler des neunten Jahrhunderts nahmen dagegen
nicht Anstand, in den Bildern der Schöpfungsgeschichte
den I-Ierrn selbst auftreten zu lassen; ein Verfahren,
welches fast unvermeidlich war, wenn man diese wich-
tigen Ereignisse so wie die Schrift sie erzählt und die
Phantasie sie sich vorstellt, dem Auge versinnlichen wollte,
und welches denn auch später im Abendlande fortwährend
beibehalten wurde. In den apokalyptischen Scenen und in
der Glorie, von Cherubim umgeben, stellte man ebenfalls
den Herrn ohne Besorgniss dar f). Es fehlte also nicht
ganz an Freiheit und Selbstständigkeit der Erfindung;
wir sahen schon oben an den Reliefs der Eggestersteine
ein Beispiel kecker und kräftiger Ausführung eines neuen
und eigenthümlichen Gedankens.
Konnte diese Unbefangenheit sich schon bei heiligen
Aufgaben ungeachtet der vorliegenden Vorbilder geltend
machen, so war sie gewiss bei weltlichen Gegenständen
noch grösser. Während die Byzantiner bei solchen durch
das ängstliche Ceremoniell und durch ihre historische
Ueberlieferung in engen Granzen gehalten wurden, hatten
die Deutschen in ihren Heldensagen einen frischen, noch
unverarbeiteten Stoff, der ihr Gefühl im höchsten Grade
anregen musste. Bei solchen Aufgaben wie Karl sie
stellte (man erinnere sich, dass er in dem Palast von
Ingelheim die Thaten der Helden von Niuus bis auf seine
Zeit, in dem von Aachen seinen spanischen Feldzug malen
liess) , mussten die Vorstellungen der altgermanischen
4') Aginc. a. a. O. t. 41. n. 2. und t. 42. n.1. in den Abbildungen
nach der Bibel von S. Paul (S. Cellisto). XVazlgen a. a. O. S. 218,
251. die Bibel Karls des Kahlcn in der Pariser Bibl. beschreibend.