Anlgelsächsisclme
Miniaturen.
517
für das Figürliche, überrascht die geschickte und selbst
geschmackvolle Ausführung der Ornamente. Die Anfangs-
buchstaben und die Einfassungen der Seiten sind mit viel-
Fach verschlungenen, hellfarbigen Bändern auf schwarzem
Grunde verziert, an denen die Farbenwirkung sehr an-
genehm, die Erlindung der Verschnörkelungen mit häufig
eingemengten Drachenköpfen sehr künstlich und zierlich
ist. In einem andern wenig spätem angelsächsischen
Evangelienbuche sind die Symbole der vier Evangelisten,
Mensch, Löwe, Stier und Adler, mit gleicher Feinheit
der Feder, aber schon ganz wie die Figuren in den WVapJ
peu, mit steifer Regelmässigkeit gezeichnet Man sieht
in diesen frühesten Beispielen deutlich, welche Stelle
diese Arbeiten einnehmen. Sie entstehen nicht aus dem
eigentlich bildnerischen Triebe, nicht aus dem Bedürfnisse
der Darstellung des Lebendigen, sie schliessen sich selbst
an die überlieferte Technik der Malerei nicht an, sondern
gehen aus dem Kalligraphischen hervor, aus der
Richtung des Formensinnes, der schon in den Schriftzügen
Nahrung und Ausbildung findet. Sie ruhen daher in dem-
selben allgemeinen Elemente wie die Architektur, und
haben mit ihr die Richtung auf eine geometrische Regel-
mässigkeit, auf die strenge Symmetrie des Leblosen, auf
die reine, bedeutungslose Schönheit der Linie gemein.
Sie unterscheiden sich aber von der wirklichen Architek-
tur durch den Mangel der höhern, ernsten Regel, welche
diese aus den Gesetzen der Körperlichkeit empfängt, und
i) Xvazigen (dessen Nachrichten bei den Miniaturen fast immer
zum Grunde liegen) a. a. O. I. S. 133. über das Cuthbertbuclx u. a.
angelsächsische Miniaturen in England; III. S. 241 über das andre im
Texte erwähnte Dlannscript in Paris. Die Abbildungen einiger Initi-
alen bei II. Shuw, Illuminatcil ormnnents selccted from Blannscripts
etc. London 1833. tab. 5.