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Plastik
Malerei
im
karoling.
Zeitalter.
wurden hier die Talente nicht bloss für eine Kunst, son-
dern für alle angelernt. Tutilo, ein Mönch von St. Gallen,
der am Ende des neunten oder Anfang des zehnten Jahr-
hunderts starb, Wie er sich in allen Künsten, als Dichter
und Maler auszeichnete, war auch als Metallarbeiter und
Elfeubeinsehnitzer berühmtät). Noch jetzt bewahrt die
Bibliothek dieses Klosters eine Elfenbeinplatte von seiner
Hand, worauf die Himmelfahrt der Maria und eine Seene
aus der Legende des h. Gallus ziemlich dreist und ein-
fach, frei von den manierirten Eigenthümlichkeiten der
byzantinischen Kunst dargestellt sind. Auch andere Ar-
beiten, welche man dieser Zeit zuschreiben kann, zeigen
eine ähnliche Abweichung von den italienischen und by-
zantinischen Formen; sie sind, Freilich ohne höhere Begei-
sterung und ohne entschiedene Richtung des Geschmacks,
aber doch einfacher und derber als jene Es ist be-
greiflich, dass sich der Sinn der Deutschen, der noch
nicht durch eine lange Schulgewöhnung gelähmt war, bei
der ersten Bekanntschaft mit der Technik der eivilisirten
Welt, unbefangen, mit einer jugendlichen, wenn auch
unsichern Frische äusserte; wir werden noch deutlichere
Beispiele davon finden.
Im Ganzen wurde die Sculptur weniger geübt, als
die Flächendarstellung, und wenn es geschah mehr an
kleinem Arbeiten oder im Erzguss, als in Stein. Eine
sehr merkwürdige Ausnahme machen die in sehr grosseu
Fiorillo
H) Man rechnet dahin ein grosses Jagdhorn von Elfenbein, auf
welchem Jagdsceuen, also ein Gegenstand welcher dieser Zeit sehr
nahe lag, nicht ohne Erinnerung an klassischen Styl, aber auch nichl
ohne natürliche Derbheit dargestellt sind. Kugler, Beschreibung der
Berliner Kunslkannner, S. I.