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Karolingische
Zeit.
Auch in andern Kirchen hing diese Einrichtung mit der
zunehmenden Verehrung der Reliquien zusammen; der
westliche Chor diente vorzugsweise als Grabkapelle. Er
wurde aber auch zu den gemeinschaftlichen Andachten
der Geistlichen benutzt, und ohne Zweifel in manchen
Kirchen gleich anfangs dazu bestimmt
In architektonischer Beziehung war diese Neuerung
keine glückliche, indem sie die klare Anordnung der
Basiliken, an welcher Eingang und Chor so entschieden
ihre Stelle hatten und sich so bestimmt aussprachen,
zerstörte. Man kann sie gewissermassen als eine Ver-
mischung des byzantinischen Rundbaues mit dem Basili-
kentypus betrachten. Denn die beiden Nischen in Osten
und Westen bilden, wenn man sie sich vereinigt denkt,
ein Kuppelgebäude, welches nur in zwei Hälften getrennt
ist. Obgleich diese durch das dazwischen gelegene Lang-
haus auseinander gehalten sind, bleibt ihre Uebereinstim-
mung in der That noch sehr bemerkbar. Wahrscheinlich
kam zwar diese ästhetische Rücksicht bei den frommen
Aebten von Fulda und St. Gallen nicht sehr in Betracht,
indessen hatte doch der byzantinische Styl darauf gewiss
einigenEiniluss. Seine runde und polygone Gestalt be-
zeichnet die Stellen des Eingangs und der Chemische
nicht, und diese, wenn man sie anfügte, erschien sogar
als ein willkürlicher und entstellender Zusatz. Wenn aber
der Formensinn durch die Gewöhnung an solche Anbau-
ten abgestumpft war und keinen Anstoss daran nahm,
konnte man nach Bequemlichkeit sich nun auch nach
andern Seiten hin erweitern. Diesen Vortheil gab man
Kuglar (Handb. S. 356) vermuthet mit Rücksicht auf den
Plan von St. Gallen, dass die Theiluzzg des Sängerchors in den Chorus
Prioris und Chorus _Abbatis mit berücksichtigt worden.