Quellen
ihres
Baustyls.
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darauf hin, dass dieser Verkehr sich auch auf künstleri-
sche Mittheilungen erstreckte. Karls Geschichtschreiber
Eginhard, der sich um bauliche Angelegenheiten so sorg-
fältig bekümmerte, dass er selbst den Vitruv studirte und
sich von Andern Auskunft über die Bedeutung architek-
tonischer Ausdrücke desselben erbat, lässt uns nirgends
spüren, dass man auch nur das Dasein einer eigenthüm-
liehen byzantinischen Kunst ahnete. Italien dagegen, das
der Kaiser selbst gesehen, hatte ihm tiefen Eindruck ge-
macht, die Werke der römischen Imperatoren und vielleicht
die seines grossen Vorgängers in der Verschmelzung
römischer und germanischer Sitte, des 'l'he0derich, waren
es, denen er nacheiferte. Nach damaliger italienischer
VVeise benutzte auch Karl die Fragmente antiker Bauten
zu seinen neuen Werken; Quadersteine wurden aus den
Mauern von Verdün, Säulen aus Trier, Marmorstücke,
Mosaiken und wiederum Säulen aus Rom und Ravenna
herbeigeschafft. Besonders wurde das damals verlassene
und eroberte Ravenna durch diese artistischen Requisitio-
nen in Anspruch genommen; der Papst Leo gab die Ein-
willigung zu diesen Plünderungen. Sogar eine Reiterstatue
Theoderichs musste sich die Aufstellung in dem Palaste
zu Aachen gefallen lassen. Die Quellen, aus welchen
Karl und seine Gehiilfen ihre Kunstansichten schöpften,
waren also
die Bauten
durchaus römische, die Schriften des Vitruv,
von Rom und Ravenna. An die Einführung
eines neuen Geschmacks dachten sie nicht, sondern nur
an Erhaltung des alten, der schon seit der Römerzeit
in diesen gallischen Gegenden einheimisch war. Wenn
die enge Verbindung mit Ravenna es verursachte, dass
der Plan der neuen Kirche sich an den von S. Vitale
anschloss, und hiedurch etwas Byzantinisches in die frän-