Die
Münsterkirche
in
Aachen.
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theils den Pfeilern desselben entsprechen, ist die Bedeckung
des untern Umganges aus viereckigen Kreuzgewölben und
aus dreieckigen Gewölbfeldern zusammengesetzt. Noch
sinnreicher sind diese Wölbungen im obern Stockwerke
des Umgangs in eine schräge Fläche gebracht, so dass
sie theils als kräftige YViderlage zur Stütze des Kup-
pelgewölbes dienen, theils durch diese Lage dem Auge
des Beschauers im lilittelraume ganz geöffnet sind, was
sie namentlich für bildlichen Schmuck sehr geeignet mach-
teä). Bei diesem Geschick des Architekten ist es auf-
fallend, dass das Technische in der Behandlung des
Steins, sowohl in den Verzierungen als im Mauerwerk
selbst hinter den Arbeiten der spätrömischen Zeit be-
deutend zurücksteht. Man erkennt, dass während die
höher gestellten Männer durch geistige Kraft sich noch
aufrecht erhielten, die Masse des Volks schon tiefer ge-
sunken und die Tradition der Technik verloren war. Man
sieht aber auch, wie das ganze Bestreben noch Weit ent-
fernt war, einen neuen Aufschwung zu nehmen, und wie
sich alle Bildung noch an das Römische anschloss.
Im 14. Jahrhundert ist die zweistöckige Altarkapelle
im Osten der Kirche durch einen hohen Chor verdrängt
und die Vorhalle des Gebäudes verändert, später der
Mosaikschmuck der Wölbungen, der schon längst gelitten
t") Die Nischen in S. Vitale und in den spätem byzantinischen
Bauten trugen auch zur Unterstützung der Kuppel bei, aber nicht so
kräftig wie diese Strebewölbrlnrgen. In Frankreich findet man bei
sehr allen Kirchen (namentlich in Auvergne) häufig, dass das Mit-
telschiff mit einem Torlnengeivölbe, die Abseiten oder die über den;
selben befindlichen Gallerien aber mit halben Tonnengeivölben be-
deckt sind, welche sich also auch als Strebebogcn an die obere WVand
des Mittelschides anlegen. Man darf diese Anordnung mit der des
Münsters von Aachen in Verbindung bringen und für ein Vermächt-
niss der Karolingischen Zeit halten.