Die
Ostgotheu
in
Italien.
475
ihre ländlichen YVohnungen waren ohne Zweifel kunst-
los, mit dem Material, das die Gegend bot, meistens von
Holz aufgerichtet. Aber bei alledem ist es ein Zeichen
der formlosen, innerlichen Richtung dieser Völker, dass
sieh keine Spur eines charakteristischen Elements auf-
zeigen lässt , welches sie in die Baukunst einüihrtenäi).
Die römische Architektur erlitt daher durch die Hand
der germanischen Sieger überall keine Veränderung, diese
bedienten sich der einheimischen Werkmeister und liessen
ihnen freie Hand.
Ziemlich genau können wir dies bei dem deutschen
Stamme beobachten, der sich übrigens als der bildungs-
fähigste zeigte, bei den Ostgotheiu in Italien. Theo-
derich wünschte sich mit dem Glanze römischer Impe-
ratoren zu umgeben, und seinen neuen Unterthanen nicht
als ein Barbar, sondern als der Schützer und Erhalter
ihrer Civilisation und ihrer Künste zu erscheinen. Schon
diese politische Rücksicht konnte ihn veranlassen, die
Baukunst zu begünstigen; es scheint aber auch, dass er
selbst empfänglich für feinere Eindrücke War. Seine Edicte
und die Briefe seines Geheimschreibers Cassiodor ent-
halten interessante Beweise, dass er von dieser Kunst
eine lilinivirkung römischer Sitte gewesen sein, jedenfalls wissen wir
von diesen Bauten nichts Näheres, und der Schluss aus den angeführ-
ten Stellen scheint nicht ganz sicher.
d) Ein Beweis des Mangels architektonischer Vorbildung der
Deutschen, auf den man mit Recht aufmerksam gemacht hat, ist,
dass wir selbst für die gewühnlichsten Theile des Gebäudes keine
ursprünglich (leutsclten VViirter haben; sie sind (z. B. Pforte, Dach,
Mauer, Fenster) den lateinischen nachgebildet. Die Angelsachsen
kannten kein anderes VVort für bauen als zimmern, getimlßrian.
Imppeuberg Gesch. v. Engl. I. 170. Auch bezeugen Vitruv und
Plinius von den nördlichen Völkern Bluropas, Tacitus und noch He-
rodian von den Deutschen, dass sie nur in Holz, nicht in Steinen
und Ziegeln bauten.