Zweites
Kapitel.
Erste Leistungen gcrlnaniscller Archi-
tektur. Gothcn und Franken.
Die
architektonische
Form
entsteht.
S0
unwillkürlich
und empfängt so leicht ein charakteristisches Gepräge,
dass wir sie in der Regel bei jedem Volke, das nur die
ersten Schritte auf dem Wege zur Gesittung gemacht
hat, schon in ihrer Eigenthümlickeit aufzeigen können.
I)ie Germanen machen eine Ausnahme; obgleich Sitte
und Gesetz schon zur Zeit des 'l'aeitus, und noch mehr
zur Zeit der Völkerwanderung ein einigermassen ent-
wickeltes Volksleben zeigen, hatten sie in ihrer Heimath
noch keine Form soweit ausgebildet, um sie auf römi-
schen Boden zu verpllanzen oder auch nur in Deutsch-
land selbst beizubehalten. Zum Theil mag ihre Religion
und Lebensweise dazu beigetragen haben; ihre Götter
verehrten sie in Wäldern und Bergen unter freiem lliin-
meläi), Städte und prachtvolle Anlagen hatten sie nicht,
i?) Grimm, deutsche Mythologie S. 50. macht es (weil vom
Einreissen und Abbrennen heidnischer Tempel gesprochen wird) wahr-
scheinlich, dass die damaligen Deutschen und Gallier wirkliche Ge-
bäude zu gottesdienstlichen Zwecken hatten. Vielleicht mag (lies