Reactiou
des
gernlanischen
Elements.
4-7 l
Diese Unsicherheit nahm immer mehr zu; die Entste-
hung, die Gränzen der Königlichen Gewalt, ihr Verhält-
niss zu den Grossen, die Rechte der Besitzer an ihren
Gütern, die Erbrechte, die Familienverhältnisse, alles
war unbestimmt, durch die Vermischung römischer und
deutscher Begriffe streitig. Man sieht hier die Quellen
endlosen Haders. Dabei erzeugte denn die Heftigkeit
ungezügelter Begierden und die Gewohnheit leidenschaft-
licher That, Frevel aller Art, Bruderkriege, Kämpfe
zwichen Vater und Sohn, Entführungen fürstlicher Jung-
frauen und ähnliche Erscheinungen, welch-e selbst auf den
höchsten, von dem schwachen Lichte der Geschichte
beleuchteten Punkten der damaligen Zeit so oft vorkom-
men, und also in niedriger-n Regionen gewiss auch nicht
fehlten. Dann folgen Verträge, welche wieder gebrochen
werden, wirkliche oder vermeintliche Verletzungen, und
neue Kämpfe, bis endlich die Kirche strafend und mit
Bussvorschriften sich geltend macht. Es ist begreiflich,
dass bei diesem Zustande der Dinge sich eine feste Ge-
sinnung nicht leicht, wenigstens nicht im bewegten Leben
bilden, und die bessere Eigenthümlichkeit des deutschen
Characters noch nicht zum Vorschein kommen konnte.
Es lag eine Kluft zwischen dem natürlichen Gefühle und
der geistigen Bildung.
Dies zeigt sich ganz unmittelbar an der Sprache.
Bekanntlich waren die deutschen Dialecte zur Zeit der
Völkerwanderung für den schriftlichen Gebrauch noch
nicht bearbeitet. Zwar hatten die Gothen schon frühe
gelungene Versuche gemacht, allein bei ihrer Zerstreir
ung unter der Mehrzahl der Römer in Italien und im
südlichen Gallien gewann sofort das Lateinische mit seiner
kirchlichen Autorität und seiner ausgebreiteten Literatur