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Die
Karolinugiszahc
Zeit.
ein Vorbild der spätem Herrscher deutschen Stammes.
Der Weg, den er eingeschlagen hatte, germanische und
romanische Elemente zu verschmelzen War gewiss der
richtige; aber zunächst hatten diese Bemühungen auch
nachtheilige Erfolge. Bei der Iren-gebrachten Rohheit,
bei dem Mangel aller Vorbildung musste der Lerneifer
oft in ein geistloses, unverstandenes Aufnehmen übergehn,
oft ermatten. Karl selbst erfuhr dies an seinen Kloster-
schulen. Während an einzelnen Orten die anregende Be-
geisterung des Lehrers oder die überwiegenden Fähig-
keiten einiger Mitschüler einen Eifer hervorriefen, der in
eine kindische Freude an vereinzelten Sätzen, an einer
trocknen und schwerfälligen Nachahmung des römischen
Styls in Prosa oder Versen überging, versank man an
andern sogleich, nachdem der Besuch des Kaisers oder
des von ihm beauftragten Bischofs vorüber war, wieder
in eine träge Nachlässigkeit, in der denn die angelernten
Lehren bald seltsam entstellt wurden ü).
Dieser Kampf zwischen dem Lerneifer und der an-
gebornen rohen Unbehülflichkeit gab natürlich den Fran-
ken eine schülerhafte Stellung, Welche in mancher Be-
ziehung die freie Entwickelung des Geistes unterdrücken
und lähnien musste.
Vor Allem nachtheilig wirkte dies denn auf dem
Gebiete, wo freie Entschliessuxig am Nöthigsten ist, auf
dem moralischen. In vielen Beziehungen standen die
1') Der Mönch von St. Gallen, wenn ich nicht irre, beschreibt
in einer sehr komischen Weise, wie der Kaiser, welcher auf den
musikalischen Unterricht mit Recht grossen Werth legte und deshalb
fähig scheinende Jünglinge in Rom unterrichten und als Lehrer den
Klosterschulen zuordnen liess, bei dem Besuche eines solchen Klosters
durch das barbarische Gebrüll erschreckt wurde, in welches er den
römischen Kirchengesaxig bei Lehrern und Schülern entartet fand.