Karl
der
Grosse.
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welche im Innern ihres Palastes vegetirend, die Regierung
ihren Dienern überlassen. Er ist unermüdlich; bald linden
wir ihn auf den Schlachtfeldern der entferntesten Länder,
in Italien, bei den heidnischen Sachsen, in der spanischen
Mark; bald ist er mit den friedlichen Aufgaben des Re-
genten und selbst des Hausvaters beschäftigt. In diesem
neuen Reiche War alles zu ordnen; Karl leitete alles selbst.
In zahlreichen Gesetzen gab er Bestimmungen für die
Verwaltung des Staats und der Kirche, für Schulbildung
und Rechtspflege, und in die Ausführung seiner Vor-
schriften griff er überall selbst ein. Auf seinen Meier-
höfen prüft er die Wirthschaftsführuilg, in den Klöstern
besucht er die Schulen; wo er nicht selbst sehen kann,
müssen seine Sendgrafen und Bischöfe das Land durch.-
streifen und ihm berichten.
Römische Kirche, Gelehrsamkeit, Kunst galt ihm
hoch; in jeder Beziehung lehnte er sich an römische
'l'raditionen an. Wie seine Vorfahren führte er den Titel
eines Patricius und nicht unvorbereitet empfing er vom
Papste Leo die Kaiserkrone. Ungeachtet schon drei
Jahrhunderte seit dem Untergange des abendländischen
Reiches verilossen waren, lebte in den Völkern die Er-
innerung an die Einheit des Reiches und an seinen Mit-
telpunkt Rom, und die Erneuerung der Kaiserwiirde war
daher vom grössten Eintlusse. Allein dabei war Karl
weit davon entfernt, seine Nationalität zu verläugneil. Er
sammelte deutsche Volkslieder, gab den Monaten deut-
sche Namen; er trug fränkische Kleidung und suchte durch
Spott wie durch Gesetze seine Franken abzuhalten, sie
mit römischer zu vertauschen. Beide Elemente, römische
Cultur und deutsche Kraft wollte er offenbar mit einander
verschmelzen, aber das römische, als das Neue, das