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Die
germanischen
Völker.
von seiner bessern Seite, in seiner tiefen Treue und
Zuverlässigkeit; vielmehr entwickelte sich unter den Kö-
nigen des ersten Stammes, den M er o W i n g e rn, ein Zustand
von wilder Ruchlosigkeit, wie ihn die Geschichte kaum
zu irgend einer Zeit gekannt hat. In den Familienzwisten
dieses Hauses kämpfen sie nicht bloss mit wilden, aber
ehrlichen Waffen, sondern Treubruch und Verrath, List
und heimlicher Mord sind gewöhnlich, und man liest mit
Entsetzen, was die Geschichtschreiber ruhig und selbst
ohne Verwunderung in ihren Chroniken, wie alltägliche
Vorfälle, erzählen. Es wird hier im höchsten Grade deut-
lich, wie die oberflächliche Bildung und der verführerische
Reichthum, welchen sie von den Römern überkamen, den
rohen Sinn der Germanen verwirrte f). Indessen so übel,
wie bei den herrschenden Geschlechtern, sah es im Kern
des Volkes wohl nicht aus. Wenn auch roh und verwil-
dert waren diese Franken doch
für
die Lehren
der Kirche
und für die bessern Eingebungen des Gefühls nicht taub.
Eine kräftigere und reinere Generation ging aus dem
Volke hervor, die letzten Sprösslinge der entarteten Me-
rowinger wurden in die Einsamkeit des Klosters verwie-
sen, und die Nachkommen Pipins von Herstall bestiegen
den Thron.
In
Karl
dem
Grossen
sehen
wir
schon
eine
ächt
christliche
und
ächt
deutsche
Gestalt.
Niemals
hat
die
Geschichte einem Regenten mit grösserm Rechte als ihm
den Namen des Grossen gegeben; sein redlicher Wille,
sein Scharfsinn, seine Feldherrntalente, seine 'l'hätigkeit
sind wahrhaft bewundernswerth. Wie unterscheidet er
sich von jenen Herrschern des byzantinischen Reiches,
ist:
a") Reich an interessanten Sittenschilderungen
Loebell, Gregor von Tours. Leipzig 1839.
all S
dieser Zeit