Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

Die 
Deutschen 
der 
Völkerwanderung. 
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Wenn der Freie über sich verfügt hatte, war es unab- 
änderlich. Nicht bloss die Männer, sondern auch die Frauen 
waren freier. Keine Spur von orientalischer Absonderung, 
selbst in die Schlachten folgten sie. Und hohe Achtung 
wurde dem tiefen, durch äussere Gründe weniger irre- 
geleiteten Gefühle der Frauen gezollt, man verehrte in 
ihnen einen Geist der Weissagung. 
So finden wir hier selbst in der rohen Form sinnlicher 
WVillkür, die Richtung auf das Gemüthsleben, deren 
das Christenthum bedurfte; hier war die Seele so weit 
geöffnet, dass die Wurzeln der neuen Lehre bis in die 
innerste Tiefe dringen konnten, hier konnte sich die christ- 
liche Hingebung und Wärme nicht bloss als seltene Be- 
geisterung oder als eine gewaltsame Steigerung Einzelner, 
sondern als natürliche Eigenschaft einer ganzen Nation 
ausbilden. Diese höchste Ausdehnung des Freiheitsbe- 
grilfes hatte freilich ihr Gefährliches. Wo jeder nur sein 
Gefühl als Richter anerkennt, nur seinen Empfindungen 
folgt, da kann ein bleibender Volksgeist, ein geordneter 
Staat mit festen Sitten, eine liefe Bildung nicht leicht 
entstehen. Leidenschaft und Willkür werden immer wieder 
die 
Einheit 
des Ganzen 
zerreissen. 
Jene 
natürliche Aus- 
bildung des Geistes für Staat und Sitte, Kunst und Wis- 
sensclxaft, die wir in der alten Welt bewundern, konnte 
sich hier nicht aus dem Volke selbst entwickeln. Auch 
das 
Christenthum konnte unmittelbar und durch sich allein 
nicht Eingang finden, weil die Vorbildung für seine tiefen 
Lehren, die bürgerliche Ordnung, neben welcher das erste 
X7erständniss derselben ruhig gedeihen konnte, fehlten. 
Die alten Völker waren also nothwendig die Vermittler 
zwischen dem Christenthume und den Germanen; nur 
dadurch dass diese gleichzeitig auch einen Theil der
	        
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