Volltext: Geschichte der bildenden Künste im Mittelalter: Altchristliche und muhamedanische Kunst (Bd. 3 = [2], Bd. 1)

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Die 
germanischen 
Völker. 
selbst ein klimatisches Element südlicher Natur stand mit 
der neuen Lehre im Widerspruch. Es war dafür gesorgt, 
während sie hier ihre erste dogmatische Begründung er- 
hielt, dass ihre sittlichen Anforderungen einen fruchtbarern 
Boden fänden. Fern von der WViege des Christenthums, 
in den Wäldern Germaniens war das Volk vorbereitet, 
dem es vor Allen zusagte, das hier gleichsam müssig 
ruhete, bis die Zeit der Bestimmung kam. Schon Tacitus, 
der die Deutschen schildert lange ehe das Christenthum 
zu ihnen kam, er selbst ein Römer im vollen Sinne des 
Wortes, ohne Ahnung von dem innern Geiste der christ- 
liehen Lehre, beschreibt uns ihren Charakter so, dass 
wir die Grundzüge einer dem Christenthume verwandten 
Anlage nicht verkennen können. Hier war der Einzelne 
nicht wie bei den Orientalen an seine Caste, nicht wie 
bei den Griechen durch die festen Gesetze seiner Stadt 
gebunden, er war ganz Mensch, ganz frei. Nur das 
Band der Familie vereinigte die Germanen, und auch 
dieses theils nur in einzelnen rechtlichen Beziehungen, 
die nicht die ganze Person betrafen, theils nur als natür- 
liche Anhänglichkeit des Gefühls. Alle übrigen Verbin- 
dungen erschienen als freie, selbst gewählte Verbrüderun- 
gen. Der Wille des Einzelnen war für ihn einziges, aber 
auch unverbrüchliches Gesetz, so sehr, dass wenn er sich 
selbst als den Preis des Würfels setzte, sich in Sclaverei 
verspielte, er auch dieser Verpflichtung, da er sie einmal 
übernommen, Genüge leisten musste, Nicht nach Stam- 
mesrecht, nicht nach den Beschlüssen der Gemeinde, 
sondern aus persönlicher Achtung wählten sich Männer 
und Jünglinge einen tapfern Führer, um ihm bis in den 
Tod zu folgen. Ihn zu verlassen, war die grösste Schmach; 
'.l'reubruch und Meineid wurden aufs Höchste geahndet.
	        
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